Flammen über Arcadion
hinüber, die noch immer aus dem Fenster starrten.
»Igitt«, kommentierte Pitlit. »Was für eine Sauerei. Das musst du dir anschauen, Carya!«
»Nein, musst du nicht«, widersprach Jonan.
Sie schluckte und holte tief Luft. »Doch, muss ich«, sagte sie und richtete ihren Blick auf die Straße. Ein halb entkleideter Haufen Mensch lag dort in einer Lache aus Blut, die im Schein der Sonne beinahe unnatürlich schön rot leuchtete.
Da Carya sagte, sie könne in unmittelbarer Nähe des Toten unmöglich auch nur einen Happen runterkriegen, verlegten sie ihr Versteck kurzerhand in ein Gebäude etwa einen halben Kilometer tiefer im Trümmergürtel. Während Pitlit loszog, um aus einer, wie er sagte, » todsicheren Quelle « etwas Wasser für sie zu besorgen, packten Jonan und Carya ihre Vorräte aus.
»Du sagtest, du hättest einen Plan«, sagte Jonan. Dabei blickte er zu Carya hinüber, die ihre Wolldecke ausschüttelte und über einem frei stehenden Betonblock ausbreitete, damit er zumindest in Ansätzen einem Esstisch ähnelte.
»Ja, ich will nach Norden«, erwiderte Carya und strich die Decke glatt.
»Nach Norden?«, echote Jonan, während er Brot, Wurst und Käse auf den Tisch legte und sein Messer hervorholte, um sie zu schneiden. »Der Norden ist groß.«
Carya blickte ihn über den Tisch hinweg einen Moment lang stumm an. »Ich habe eine Karte«, eröffnete sie ihm unvermittelt.
Jonan legte fragend die Stirn in Falten. »Was für eine Karte?«
»Moment, ich hole sie.« Sie lief hinüber zu ihrem Beutel und kramte ein Buch daraus hervor.Vorsichtig löste sie den Umschlag und holte etwas heraus, das darunter befestigt war. »Hier«, sagte sie, nachdem sie zum Tisch zurückgekehrt war. Sie faltete die Karte auf und legte sie Jonan hin. Soweit er das beurteilen konnte, war darauf das stiefelförmige Land zu sehen, in dessen Mitte der Einflussbereich des Lux Dei und seine Hauptstadt Arcadion lagen. Oberhalb eines Sees, vielleicht zweihundert Kilometer nördlich von Arcadion war ein Kreuz eingezeichnet. Jemand hatte Größere Insel daneben geschrieben.
»Was ist dort?«, wollte Jonan erstaunt wissen. »Und wo hast du die Karte her?«
Carya biss sich auf die Unterlippe und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Ich weihe dich jetzt in ein Geheimnis ein, das du niemand anderem verraten darfst.«
Er wies sie nicht darauf hin, dass sie das genau genommen schon getan hatte, indem sie ihm die seltsame Karte gezeigt hatte, sondern nickte nur. »Ich verspreche es. Wem sollte ich es auch preisgeben? Wir haben nicht viele Freunde in der Gegend.«
»Noch weniger dürfen unsere Feinde davon erfahren. Das hätte schreckliche Folgen.«
»Ich hoffe, nie in die Zwangslage zu kommen, zwischen diesem Wissen und meinem Leben entscheiden zu müssen.« Er deutete auf das Kreuz. »Und was hat es jetzt damit auf sich?«
»An dem Ort soll ein Versteck liegen, in dem … «, Carya stockte kurz, »… Bekannte von Rajael leben, meiner Freundin, die sich nach dem Vorfall im Tribunalpalast umgebracht hat. Sie hat mir die Karte hinterlassen, weil sie ahnte, dass ich wegen ihr in Schwierigkeiten geraten könnte. Außerdem hat sie mir, wie du ja weißt, vor ihrem Tod auch noch einen Brief geschrieben. Ich soll ihn diesen Leuten übergeben. Wenn sie ihn lesen, werden sie uns helfen.«
Jonan sah sie fragend an. »Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Ich glaube Rajael, wenn sie mir das sagt«, erklärte Carya. »Wir waren uns fast so nah wie Schwestern. Außerdem … «, sie zuckte mit den Schultern, »… gibt es nicht viele andere Orte, an die wir gehen können. Und hier im Ödland können wir schließlich auch nicht ewig bleiben. Es sei denn, du willst dich einer dieser Gangs anschließen.«
»Gott bewahre, alles, nur das nicht«, brummte Jonan. Nachdenklich schürzte er die Lippen und besah sich den Weg auf der Karte. »Da liegt mindestens eine Woche Fußmarsch vor uns. Zum Glück können wir einen Teil der Strecke entlang der Handelsstraße nach Norden zurücklegen. Dort dürfte es einige Gasthöfe geben, um unsere Vorräte aufzufrischen – vorausgesetzt, wir finden etwas, das wir denen als Bezahlung anbieten können.Aber um den See herum müssen wir aufpassen. Südlich davon liegen Todeszonen, wenn ich mich nicht irre. Ich hoffe, der Strahlungsmesser aus meiner Templerausrüstung hält bis dahin durch.«
Carya nickte, als sei die Angelegenheit damit für sie beschlossene Sache. »Auf dem Weg würde ich gerne einen
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