Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammen über Arcadion

Flammen über Arcadion

Titel: Flammen über Arcadion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Perplies
Vom Netzwerk:
einen Kuss auf die teigige Wange zu drücken. Dann klaubte sie ihm mit spitzen Fingern den Brief aus der Hand und steckte ihn ein. Auf einmal hatte sie es eilig, hier rauszukommen. »Wir sehen uns also morgen«, sagte sie.
    »Ich freue mich schon drauf«, erwiderte Alesandru und zwinkerte ihr anzüglich zu. »Oh, eine Sache noch. Deine Freundin und du, ihr solltet euch ein bisschen zurechtmachen. Ich habe behauptet, dass ihr beide schon achtzehn seid, weil zu den Prozessen keine Minderjährigen zugelassen sind. Also macht euch ein bisschen Farbe ins Gesicht und gebt euch damenhaft und so.«
    »Danke für den Hinweis.« Sie öffnete die Tür und schlüpfte in den Korridor hinaus.
    »Übrigens hätte ich nichts dagegen, wenn du morgen zu unserem Essen auch so kommen würdest«, rief er ihr nach.
    »Du wirst nicht enttäuscht sein«, versprach sie tapfer lächelnd und winkte zum Abschied. In Gedanken begann sie bereits durchzurechnen, wie viele Stunden der Buße ihr Pater Castano auferlegen würde, wenn er bei der nächsten Sonntagsbeichte von den Sünden erfuhr, die sie an diesem Nachmittag auf sich geladen hatte – und von allen anderen, die sie noch im Begriff war zu begehen.

Kapitel 10
    D er Gang, den sie durchschritten, war so dunkel wie ein Schlund, der direkt in die Unterwelt führte. Jonan war versucht, den Restlichtverstärker oder die Wärmebildoptik seines Helms einzuschalten, aber er wollte den Weg zur Richtkammer genau so erleben, wie ihn der Gefangene erlebte, der in Ketten zwischen den beiden Templern in ihren wuchtigen nachtschwarzen Kampfpanzern dahintrottete.
    Natürlich war das vollkommen unmöglich. Jonan kam nur die Rolle des stummen, Furcht einflößenden Wachsoldaten zu. Er war nicht auf dem Weg zu einem Prozess, der ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben kosten würde.
    Jonan wandte den Kopf ein wenig zur Seite und musterte den Gefangenen. Es handelte sich um den grauhaarigen Mann, der Lucai und ihn bei dem Angriff auf das Invitrolabor in der gestrigen Nacht mit einem Revolver empfangen hatte. Die Zeit bis zur Verhandlung hatte er in Isolierhaft verbracht. Die Inquisitoren hatten ihn mürbe machen wollen. Dazu gehörte auch, dass sie ihm jegliche Schmerzmittel verweigert hatten, obwohl die Schusswunde, die er gestern bei dem Scharmützel am Arm davongetragen hatte, trotzdem sie behandelt worden war, nach wie vor höllisch weh tun musste.
    Angesichts dieser Umstände hielt sich der Gefangene erstaunlich gut. Er musste nicht von den ihn begleitenden Soldaten getragen werden, und er hatte sich auch genug Würde bewahrt, dass sie ihn nicht schreiend und um Gnade flehend vor den Richter zerren mussten. Jonan, für den dies der erste Dienst in der Richtkammer war, hatte noch nichts dergleichen erlebt. Aber aus Erzählungen von Kameraden wusste er, dass man jede Facette menschlicher Todesangst miterleben konnte, wenn man diesen kargen, düsteren Gang, den Weg des Richters, entlangschritt.
    Vielleicht stimmt es doch, was man gemeinhin sagt, dachte er. Dass die Invitros nicht auf die gleiche Weise fühlen wie wir. In diesem Fall würde der Prozess ein sehr unerfreuliches Spektakel werden. Denn wenn ein Beschuldigter nicht bereits aus Angst vor den Drohungen der Inquisitoren geständig war, zögerten diese auch nicht, Drogen und körperliche Gewalt anzuwenden, um ihr Ziel zu erreichen. Letzten Endes wurde in der Richtkammer jeder gebrochen – die Frage lautete nur, wann und unter welchem persönlichen Opfer.
    Jonans Helmlautsprecher erwachte zum Leben. »Soll ich dir was sagen?«, vernahm Jonan die Stimme von Burlone, der als zweiter Templer an diesem Tag Dienst hatte. »Ich hoffe, der Kerl gesteht schnell.«
    »Wieso? Weil wir dann früher Feierabend machen können?« Jonan verzog den Mund zu einem müden Grinsen.
    »Nein, weil sie den Alten sonst zu Tode foltern. Weißt du, ich habe das einmal miterlebt, wie die Inquisitoren jemanden richtig hart rangenommen haben. Sie haben ihm ein Mittel gespritzt, um seine Muskeln zu schwächen, damit er sich nicht so wehrt. Danach haben sie ihm eine Gesichtsmaske aufgesetzt, um seine Schmerzensschreie zu dämpfen. Und anschließend, ich schwöre es dir, haben sie ihn Stück für Stück zerlegt, wie ein Schwein auf dem Schlachthof, nur langsamer.«
    Jonan presste die Lippen zusammen. Er wollte das gar nicht hören. Aber die lauernde Gehässigkeit in Burlones Stimme zeigte ihm, dass es dem anderen Soldaten keineswegs darum ging, seinem Mitleid mit dem Gefangenen

Weitere Kostenlose Bücher