Flammen über Arcadion
Vorstellung, dass er ein Künstlicher sein könnte, hat uns entsetzt. Daher bat mich meine Freundin, für Klarheit zu sorgen. Und ich dachte, du würdest mir vielleicht dabei helfen.«
Alesandru schien darüber nachzugrübeln. »Da ließe sich sicher etwas machen. Heute habe ich leider kaum Zeit, aber bis morgen Abend sollte ich wohl mehr wissen.« Ein listiger Ausdruck trat auf sein feistes Gesicht. »Hol mich doch morgen nach der Arbeit ab. Dann gehen wir etwas essen, und ich berichte dir, was ich herausgefunden habe.«
»Nein!«, entfuhr es Carya. Zu spät fiel ihr auf, dass er den Eindruck gewinnen könnte, die Vorstellung, mit ihm auszugehen, entsetze sie – was nicht ganz von der Hand zu weisen war, aber das hätte sie ihm niemals so offen gezeigt. »Bitte«, setzte sie daher hastig hinzu. »Morgen ist zu spät. Ich muss es sofort wissen. Ich möchte erfahren, ob … ob meine Freundin vor Tobyn sicher ist. Und ob ihn seine gerechte Strafe ereilt. Bis dahin habe ich keine ruhige Minute. Ich … « Sie musste sich zwingen, den Satz fortzuführen. »Ich wäre dir wirklich sehr dankbar.«
Ein gieriger Glanz trat in Alesandrus Augen. Er zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und tupfte sich die Stirn ab. »Na gut, ich konnte dir noch nie eine Bitte abschlagen, wie du weißt.« Er erhob sich. »Warte hier. Nein … äh … warte besser dort vorne im Vorzimmer. Ich werde mich gleich kundig machen, ob wir den Peiniger deiner Freundin in unseren Händen haben. Und wenn ja, dann wirst du deine Rache bekommen, Carya. Das schwöre ich!« Mit diesen Worten führte er sie in den Nachbarraum mit dem kleineren Schreibtisch.
Er wollte gerade losstürmen – so schnell es sein Leibesumfang eben zuließ – , als Carya ihn noch einmal am Arm berührte. »Warte, Alesandru. Ich habe noch eine Frage.«
»Ja?«
»Wenn Tobyn zusammen mit den anderen Künstlichen festgenommen wurde, wird es doch eine Untersuchung, einen Prozess gegen ihn geben, nicht wahr?«
»Natürlich. Wir werden ihn und seine Mitverschwörer spüren lassen, was es heißt, sich mit dem Lux Dei anzulegen.« Er unterstrich die Aussage mit einem eifrigen Nicken.
»Von meinem Vater weiß ich, dass zu solchen Prozessen auch Gäste eingeladen werden«, fuhr Carya fort. Sie sah Alesandru mit einer Eindringlichkeit an, von der sie hoffte, dass sie an Fanatismus erinnerte. »Kannst du meine Freundin und mich da reinbringen? Wir wollen zusehen, wie er verurteilt wird. Wir wollen dabei sein, wenn er leidet. Bitte, Alesandru … «
»Oh … « Der junge Mann blinzelte unsicher und erneut trat ihm der Schweiß auf die breite Stirn. »Ich … ich weiß nicht. Man braucht die Einladung eines Inquisitors oder eines anderen hohen Tiers beim Lux Dei. Das wird nicht so leicht.«
»Aber du schaffst es trotzdem, oder?« Caryas Hand lag immer noch auf seinem Arm.
Er schluckte sichtlich. »Ja, möglicherweise. Doch wenn es mir gelingt, schuldest du mir mehr als ein Abendessen. Ich riskiere hier einigen Ärger für dich. Dafür erwarte ich auch eine Gegenleistung.«
Carya sah, wie sein Blick über ihren Körper wanderte. Sie konnte sich gut vorstellen, was ihm vorschwebte, und der Gedanke allein hätte sie beinahe Hals über Kopf die Flucht ergreifen lassen. Bleib tapfer, ermahnte sie sich. Für Rajael. Sie lächelte. »Es muss ja nicht bei einem Abendessen bleiben«, sagte sie vieldeutig. »Du hast dich verändert, seit du hier im Westflügel arbeitest. Das erkenne ich jetzt. Wer weiß, was aus uns noch wird … «
Alesandru grinste sie breit an. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr es mich freut, das zu hören. Bleib, wo du bist. Ich kehre so schnell es geht zurück. Ach, eine Sache noch: Wie heißt deine Freundin? Ich brauche schließlich Namen für die Einladung.«
»Miraela«, antwortete Carya. »Miraela Menzona.« Der Name war die Kombination aus dem Vornamen und dem Nachnamen zweier Klassenkameradinnen, aber auf die Schnelle war Carya nichts Besseres eingefallen.
»Gut. Danke.« Im nächsten Moment war Alesandru im Korridor verschwunden.
Seufzend ließ Carya sich auf einen der Stühle im Vorzimmer sinken. Licht Gottes, was tue ich hier eigentlich? Ich mache einem Ekel wie Alesandru Hoffnungen, damit eine Freundin zuschauen kann, wie ihr Invitrofreund von Inquisitoren zu Tode gefoltert wird. Der Gedanke allein sorgte dafür, dass sich ihr Magen verkrampfte. Sie schloss kurz die Augen und versuchte tief durchzuatmen. Warum lässt sich die Zeit bloß
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