Flammen über Arcadion
glauben doch nicht im Ernst, dass ich darauf antworte?«, rief Laura. Seine Stimme klang trotzig, aber Jonan wähnte, eine leichte Furcht darin mitschwingen zu hören. Vermutlich hatte auch Laura Geschichten darüber gehört, wie die Prozesse im Tribunalpalast abliefen.
Aidalon gab sich unbeeindruckt. »Hören Sie mich zu Ende an, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Wenn Sie mit uns kooperieren und Ihre Mitverschwörer ausliefern, werde ich Gnade vor Recht walten lassen. Das Todesurteil wird in ewige Verbannung aus Arcadion umgewandelt. Es wird sicher kein leichtes Leben in der Wildnis, aber zumindest haben Sie noch ein Leben. Weigern Sie sich, mit uns zusammenzuarbeiten, werde ich mir die Antworten auf andere Art und Weise holen. Dann ist Ihnen der Tod sicher – und ebenso sicher werden Sie ihn herbeisehnen.«
Auf dieses Zeichen hin schob der maskierte Inquisitor den Wandschirm neben Laura zur Seite und enthüllte ein Metallgestell, an dem zahlreiche Werkzeuge hingen, mit denen ein normaler Mensch Nägel in die Wand geschlagen,Äpfel geschält oder Rosen geschnitten hätte.
Einen Augenblick lang schwieg Laura. Jonan konnte sich das Gesicht des Mannes gut vorstellen, wie es in ihm arbeitete, wie die Angst vor furchtbaren Schmerzen mit der Treue zu seinen Gefährten im Widerstreit lag.
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen«, presste der Invitro hervor.
Aidalon maß ihn mit kühlem Blick. »Wie Sie wünschen«, sagte er nur. Er nickte dem Maskierten an Lauras Seite zu. »Inquisitor Loraldi, bitte beginnen Sie mit der Befragung des Angeklagten.«
Überrascht merkte Jonan auf. Er hatte nicht gewusst, dass sich hinter der schwarzen Maske sein Mentor verbarg. Aus irgendeinem Grund war er bislang stets der Meinung gewesen, Loraldi beschäftige sich vor allem außerhalb des Tribunalpalasts mit der Unterweisung von Gläubigen und der Verfolgung von Ungläubigen. Die Aufgabe des Foltermeisters war alles andere als leicht. Um einem Menschen das antun zu können, was ein Inquisitor einem Angeklagten auf dem Richtblock antun musste, bedurfte es entweder absoluter Gefühlskälte oder eines fanatischen Glaubens an die Richtigkeit der eigenen Sache. Andererseits wird man kein Inquisitor, wenn man nicht beides im Übermaß besitzt, dachte Jonan.
Mit der Gemächlichkeit eines Mannes, der wusste, dass die Zeit auf seiner Seite war, ging Loraldi zu dem Wandschirm hinüber und schob ihn zusammen. Anschließend trug er ihn zu dem Richtstuhl hinüber und stellte ihn so auf, dass die Beobachter auf den Zuschauerrängen zwar noch Kopf und Brust des Angeklagten sehen konnten, aber nicht mehr die Körperteile, denen sich der Inquisitor gleich widmen würde. Nicht alle Anwesenden hatten einen so stabilen Magen wie Loraldi und Aidalon. Daher wurde die Folter verdeckt vorgenommen. Einzig die Gäste auf der dritten Galerie konnten, auf ausdrücklichen Wunsch, über den Sichtschirm hinweg die Prozedur beobachten.
Als Nächstes schob der Inquisitor den Tisch mit dem Werkzeug ebenfalls hinter den Schirm. Daher konnte Jonan nicht sehen, woher er die Gesichtsmaske aus grauem Leder nahm, die er Laura umzuschnallen gedachte, genau wie Burlone es beschrieben hatte.
Endlich kam Leben in den Angeklagten, der bis dahin in trotzigem Schweigen verharrt hatte. »Verflucht sollen Sie sein, Aidalon!«, schrie er, während er sich hin und her wand, um das Aufsetzen der Maske zu verhindern, die jedes weitere Wort unterbinden würde. »Sie und Ihr ganzer Orden. In den Dunklen Jahren mögen Sie die Menschen vor der Barbarei bewahrt haben. Doch jetzt sind Sie der Barbar!«
»Wache, mäßigen Sie diesen Mann!«, befahl der Großinquisitor.
»Mach du es«, sagte Burlone über Helmfunk. »Loraldi ist dein Mentor. Er wird es zu schätzen wissen, wenn du in jeder Situation hinter ihm stehst.«
Jonans Magen verkrampfte sich. Er wünschte sich, er wäre woanders, überall, nur nicht hier. In diesem Augenblick hasste er sie alle. Laura, der sich widersetzte, Loraldi, der nicht mit ihm fertig wurde, Burlone, der ihm den Schwarzen Peter zuschob, seinen Vater, dessen Standesdünkel ihn überhaupt erst in diese Lage gebracht hatte, und vor allem sich selbst, weil er gehorchte. Weil er immer wieder gehorchte und weder auf sein Herz noch auf seinen Verstand hörte, sondern allein auf die Befehle von Männern, die womöglich einst wie er selbst gewesen waren, bevor das Leben sie hart und zynisch gemacht hatte.
Da siehst du, wie du enden wirst, dachte er, während er
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