Flammen über Arcadion
dem Leben zu stellen vermochte wie keine Zweite und die Carya bis zu diesem Punkt mit staunenswerter Entschlossenheit vorangeschritten war, brach nun vor ihren Augen zusammen. »Ich kann es nicht«, flüsterte sie, den Revolver fest umklammert. »Ich schaffe es nicht, ihn zu töten.«
Hinter ihnen in der Richtkammer schrie Tobyn auf. Es war ein verzweifelter, ein animalischer Schmerzensschrei, der, obwohl ihn der Knebel dämpfte, Carya durch Mark und Bein ging. Ihr Magen verkrampfte sich erneut – vor Panik, aber diesmal auch vor Zorn!
»Hilf mir«, bat Rajael bebend. »Bitte, Carya.«
Dieses Mistschwein!, dachte Carya. Die Wut, die in ihren Eingeweiden brodelte, wurde immer stärker. Glühend heiß rauschte sie durch ihre Glieder.
»Gestehe, Invitro!«, donnerte Aidalon.
Erneut schrie Tobyn auf, erstickt und abgehackt, während der Maskierte sein blutiges Handwerk verrichtete.
»Bitte … « Rajaels Stimme war kaum noch ein Flüstern.
In diesem Augenblick zerbrach etwas in Carya und sie traf eine Entscheidung. Sie nahm ihrer Freundin den Revolver aus der Hand und schwang den Arm mit der Waffe über die Balustrade. Das Gewicht des Revolvers fühlte sich erstaunlich vertraut an, obwohl Carya noch nie im Leben eine solche Waffe in der Hand gehabt, geschweige denn abgeschossen hatte. Bei den Wehrübungen der Templerjugend durften das immer nur die Jungen.
»Tobyn!«, schrie sie.
Der Kopf von Rajaels Freund ruckte herum, aber natürlich sah er sie in dem dunklen Separee nicht.
»Rajael liebt dich!«
Dann schoss sie. Und ein zweites und drittes Mal. Immer weiter, bis die Trommel leer war. Auf Tobyn, auf Loraldi und auf Aidalon selbst.
Kapitel 12
S chüsse peitschten durch die Richtkammer. Eine Kugel riss den Kopf des jungen Mannes namens Tobyn zur Seite, eine zweite ließ Inquisitor Loraldi schmerzerfüllt zusammenzucken und keuchend in die Knie gehen.
Jonan fluchte. Er riss die eigene Pistole vom Gürtel und suchte die dunklen Öffnungen in den Wänden der Kammer ab, um herauszufinden, aus welchem Separee der Angriff kam.
Aus zwei oder drei Gästebereichen drang das schrille Kreischen verängstigter Frauen. Die schachtartige Bauform der Richtkammer verstärkte den Lärm noch.
Ein weiterer Schuss knallte und noch einer.
Voller Erschrecken sah Jonan, wie Großinquisitor Aidalon auf dem Richterpodest wankte.
»Hab sie!«, meldete Burlone, hob seine Waffe und begann selbst zu feuern. »Jonan, schütze Aidalon.«
»Verstanden«, bestätigte dieser und rannte los, so schnell es sein schwerer Anzug erlaubte. Im Vorübereilen warf er einen Blick auf seinen Mentor. Loraldi lebte noch, hatte aber eine Hand auf die rechte Brust gedrückt. Die Maske hatte er sich vom Gesicht gerissen. Seine Miene war verzerrt vor Schmerz und Empörung über diesen undenkbaren Frevel.
Jonan schaltete auf den allgemeinen Funkkanal um. »Estarto an Zentrale. Wir haben ein Attentat in der Richtkammer. Erbitte Verstärkung und ein Notfallteam. Und riegelt alle Fluchtwege aus dem Palast ab.«
»Zentrale. Haben verstanden«, meldete sich die Stimme des wachhabenden Offiziers in Jonans Helm.
»Burlone hier«, mischte sich Jonans Partner ein. »Ergänzung: Die Attentäter sind zu zweit, beide vermutlich weiblich und, wie es aussieht, bereits auf der Flucht. Sie saßen auf der westlichen Besuchergalerie in der untersten Ebene.«
»Mach du hier weiter«, sagte Jonan. »Ich verfolge sie.« Er wirbelte herum und rannte mit donnernden Schritten auf den Ausgang zu.
»Jonan!«, rief Burlone ihm nach. »Jonan, vergiss es! In der Panzerung holst du sie nie ein.«
»Das wollen wir doch mal sehen«, erwiderte Jonan, stellte die Kraftverstärker auf maximale Leistung und sprintete los. Mit der Wucht eines außer Kontrolle geratenen Fuhrwerks raste er den dunklen Zugangsweg hinunter, um sich an seinem Ende nach links zu wenden und auf den Ausgang des Kellertrakts zuzustürmen. »Zur Seite!«, schrie er den Wachen zu, die als Verstärkung eintrafen und gerade die schwere Gittertür geöffnet hatten, die den Trakt vom übrigen Palast abtrennte.
»Wir wurden gerufen, Signore«, erwiderte der befehlshabende Offizier der schwarz uniformierten Gardisten, während seine Männer sich an die Gangwand drückten, um nicht über den Haufen gerannt zu werden.
»Vergessen Sie das!«, rief Jonan. »Die Attentäterinnen sind schon auf der Flucht. Schicken Sie nur das Notfallteam rein und kommen Sie mit.«
»Jawohl, Signore.« Der Mann beeilte sich, den
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