Flammen über Arcadion
glänzendes Folterwerkzeug – eine Zange oder ein Messer – ergriff und ansetzte, und wie Tobyns gedämpfte Schmerzensschreie durch die hohe Richtkammer hallten.
Zitternd schlang sie die Arme um den Oberkörper. Ihr Sichtfeld verschwamm, als ihr einmal mehr Tränen in die Augen stiegen. »Rajael konnte es nicht«, stieß sie gepresst hervor. »Sie wollte Tobyn erlösen, aber sie hatte nicht die Kraft dazu, ihren Geliebten zu erschießen. Da habe ich … Ich habe den Revolver genommen und … « Voller Verzweiflung schaute sie ihre Eltern an. »Ich habe Tobyn getötet. Und danach auf die Inquisitoren geschossen, auf Loraldi und Aidalon. Anschließend sind wir geflohen, und ich habe diesen Motorwagen gestohlen, und dann habe ich mich mit Rajael oben im Park zerstritten. Es ging alles so schnell … Ich … Es tut mir furchtbar leid!«
Zusammen mit dem Geständnis öffneten sich alle Schleusen in ihrem Inneren. Ohne dass sie irgendetwas dagegen hätte tun können, schluchzte sie auf, und die Tränen liefen ihr in einem Strom über die Wangen. Der Weinkrampf schüttelte sie so lange, bis ihre Mutter an ihre Seite trat, sie vom Stuhl hochzog und in den Arm nahm. Mit tröstenden, sinnlosen Worten hielt sie sie fest, bis sie sich beruhigte.
Schließlich hatte Carya ihre Gefühle wieder unter Kontrolle und löste sich von ihrer Mutter. Fragend sah sie ihre Eltern an.
Ihr Vater ließ sich am Esstisch nieder. Er war blass geworden, aller rechtschaffene Ärger schien wie weggeblasen. Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Oh, Carya«, sagte er mit einem schweren Seufzen, »was hast du da nur angerichtet?« Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und das Haar.
Caryas Mutter warf ihm einen sorgenvollen Blick zu. »Was machen wir denn jetzt nur, Edoardo?«
»Ich weiß es noch nicht, Andetta«, erwiderte ihr Vater. »Wir müssen irgendetwas unternehmen, so viel steht fest. Einen derartigen Vorfall dürfen wir nicht einfach aussitzen. Wenn die Garde des Tribunalpalasts erst an unsere Tür klopft, ist es für Erklärungen zu spät.« Er hob den Blick. Sein Gesicht war noch immer aschfahl, und er wirkte, als wäre er binnen Minuten um Jahre gealtert. Allein in seinen Augen glomm verzweifelte Entschlossenheit. »Ich muss zum Tribunalpalast. Ich muss denen erklären, dass das alles nur einVersehen war. Carya würde doch niemals absichtlich einen Menschen verletzen. So, wie ich das sehe, stand sie unter dem Einfluss dieser Rajael. Genau das war es.«
»Edoardo!«, entfuhr es Caryas Mutter halb empört, halb erschrocken.
»Nein, lass mich ausreden«, unterbrach Caryas Vater sie. »Vielleicht hat Rajael sie auch bedroht. Jedenfalls hat sie irgendetwas getan, um Carya dazu zu bringen, ihr Zugang zum Tribunalpalast zu verschaffen. Und bist du sicher, dass du wirklich geschossen hast, Carya? Es ging alles so schnell. Du warst völlig verstört wegen all der Vorgänge dort. So etwas steckt ein junges Mädchen nicht so leicht weg. Möglicherweise war es also genau umgekehrt. Du bist vor Angst zusammengebrochen, und Rajael hat geschossen. Wer vermag das schon zu sagen. Es ist dunkel in diesen Separees. Niemand außerhalb wird die Schützin gesehen haben.«
Caryas Mutter rang die Hände. »Edoardo, bist du sicher, dass es keine andere Lösung gibt? Das arme Mädchen.«
Dieser schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe, um Caryas Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Und seien wir ehrlich: Eigentlich ist Rajael an dieser Misere schuld. Warum musste sie sich in einen Invitro verlieben? Und dann auch noch diese Pläne, ein künstliches Kind bekommen zu wollen. Das ist doch verrückt! Gotteslästerung! Ich habe diese junge Dame ja schon immer für einen gefährlichen Freigeist gehalten. Wie sie da so ganz allein in ihrer Dachkammer haust. Ich habe nichts gesagt, weil Carya sie mochte, aber offenbar ist unsere Tochter noch zu jung, um die rechte Menschenkenntnis entwickelt zu haben. Nur so konnte sie in diesen Schlamassel geraten. Und nur indem sie sich von Rajael wieder lossagt und auf den rechten Weg zurückkehrt, kann sie sich daraus erretten. Wir werden auch Pater Castano hinzuziehen. Er soll Carya eine angemessene Buße auferlegen und ihr dabei helfen, ihr Seelenheil zurückzugewinnen.«
Er stand auf. »Ich fahre jetzt zum Tribunalpalast. Das muss in dieser Nacht noch geklärt werden. Vorher werde ich bei Richter Godalmi vorsprechen, meinem Vorgesetzten. Es ist spät für solch einen Überfall zu
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