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Flammen über Arcadion

Flammen über Arcadion

Titel: Flammen über Arcadion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Perplies
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Schatten der Häuser trat, vergewisserte sie sich, dass die Straße menschenleer war. Dann wandte sie sich nach links und rannte weiter bergauf, bis sie das Haus erreichte, in dem Rajael wohnte.
    Eigentlich hatte sie die Freundin ja erst am morgigen Tag aufsuchen wollen. Doch jetzt, da ihr Vater den Inquisitoren im Tribunalpalast Rajaels Namen und Adresse verriet, durfte Carya nicht länger warten. Sie musste Rajael warnen und ihr die Möglichkeit zur Flucht geben. So viel zumindest war sie ihr schuldig.
    Vor der Haustür angekommen, hob Carya die Hand, um bei ihrer Freundin zu läuten. Doch dann zögerte sie. Wenn sie um diese Uhrzeit schellte, war ihr die Aufmerksamkeit von Rajaels schaulustiger Vermieterin gewiss. Darauf konnte sie verzichten.
    Probeweise drückte sie die Klinke hinunter. Selbstverständlich war die Tür um diese Uhrzeit abgeschlossen. Vielleicht sollte ich versuchen, auch diese Tür aufzubrechen, dachte Carya. Wozu besaß sie dieses neu entdeckte Talent? Gleich darauf fiel ihr aber etwas Besseres ein. Rajael hatte ihr mal erzählt, dass sie, wenn sie sich ausgesperrt hatte, auf den Schlüssel von Signore Uberto zurückgriff. Signore Uberto war ein älterer Herr, der im ersten Stock des Hauses wohnte und so zerstreut war, dass er in einem der Blumenkübel rechts neben der Tür immer einen Ersatzschlüssel aufbewahrte, für den Fall, dass er mal wieder ohne seine Tasche außer Haus ging.
    Hastig durchsuchte Carya die Behältnisse, und in einem von ihnen fand sie tatsächlich den Schlüssel. Sie öffnete die Tür, glitt ins Innere und schloss hinter sich wieder ab. Auf dem Rückweg würde sie den Schlüssel in sein Versteck zurücklegen.
    So lautlos wie möglich schlich Carya hinauf bis unters Dach. Niemand begegnete ihr im dunklen Treppenhaus, niemand streckte neugierig den Kopf aus der Wohnungstür. Vor Rajaels Dachkammer angekommen, blieb Carya stehen und klopfte leise an. Sie legte das Ohr an die Tür, um zu lauschen, ob jemand reagierte. Es war nichts zu hören.
    »Rajael«, flüsterte sie. »Ich bin es, Carya.« Sie klopfte erneut, diesmal etwas eindringlicher.
    Nichts regte sich im Inneren.
    Womöglich war ihre Freundin gar nicht da? Befand sie sich schon auf der Flucht aus Arcadion, über die Mauer des Aureuswalls hinweg auf dem Weg in die Wildnis? Dann wäre ja alles gut, und Carya könnte beruhigt wieder nach Hause gehen.
    Aus irgendeinem Grund aber glaubte sie nicht, dass Rajael geflohen war. Die Freundin hätte sie wissen lassen, wenn sie aus der Stadt zu verschwinden beabsichtigte. Und hatte sie oben im Park nicht gesagt, dass sie die Inquisitoren zu Hause erwarten wolle?
    Ach, verdammt, dachte Carya und zog erneut ihre Haarnadel hervor, die ihr schon zum Knacken der Motorwagentür gedient hatte. Sie steckte die Nadel in das Schloss – nur um festzustellen, dass sie nicht mehr wusste, was sie jetzt damit anstellen sollte. Irgendwie war das Wissen um die richtigen Bewegungen im Hof des Tribunalpalasts wie von selbst über sie gekommen. Aber jetzt herrschte diesbezüglich völlige Leere in ihrem Kopf.
    Ein wenig hilflos stocherte sie in dem Schloss herum, wobei ihre linke Hand auf der Türklinke lag.Als sie sie herunterdrückte, ging die Tür auf. Sie war gar nicht abgeschlossen gewesen. Das hätte ich vielleicht zuerst mal prüfen sollen, dachte Carya missmutig. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass Rajael ihre Wohnungstür mitten in der Nacht offen stehen ließ.
    Sie schob die Tür auf und ging hinein, nur um sie hinter sich gleich wieder leise zu schließen. In der kleinen Dachkammer war es dunkel. Nur ein wenig schwaches Mondlicht fiel durch das unverhängte Fenster herein und tauchte die Einrichtung in einen fahlen Schein. »Rajael?«, flüsterte Carya. »Bist du da?«
    Ihr Blick wanderte durch das Zimmer, über den Wandschirm, hinter dem sich Rajaels Waschgelegenheit befand, und am Tisch mit den dicken Kerzen und den Regalen voller Bücher vorbei hin zu Rajaels Schlafcouch.
    Und dort entdeckte sie eine dunkle, reglose Gestalt.
    »Oh mein Gott!«
    Sofort war Carya an Rajaels Seite. Der zierliche Leib der Freundin lag schlaff ausgestreckt auf der Schlafcouch. Rajael trug noch immer das Abendkleid, das sie beim Besuch des Prozesses im Tribunalpalast angehabt hatte. Einer ihrer Schuhe hatte sich vom Fuß gelöst und war zu Boden gefallen. Ebenso hing einer ihrer Arme kraftlos an der Seite der Couch herunter.
    »Rajael!«, flüsterte Carya eindringlich und schüttelte die

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