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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Pitt zögerte.
    »… zwei oder drei Jahren vorgefallen ist«, beendete Voisey den Satz für ihn.
    »Warum nur eine so kurze Zeit?«, wollte Pitt wissen. »Er hat sein ganzes Erwachsenenleben bei der Polizei verbracht.«
    »Überlegen Sie doch!«, sagte Voisey ungeduldig und trat so weit zurück, dass das Sonnenlicht durch das Fenster über den Teppich zwischen ihnen fiel. »In untergeordneter Position hatte er keine Möglichkeit, solche Geheimnisse für sich zu behalten. Das wäre viel zu gefährlich gewesen, denn er hätte sie mit anderen teilen müssen, auf deren Verhalten er keinen Einfluss hatte. Als er aber befördert wurde und diese Möglichkeit bekam, konnte er alles, was ihm in die Finger fiel, für den Inneren Kreis verwenden. Auf die Weise konnte er sich bei den anderen beliebt machen und zugleich Macht anhäufen. Nein, Pitt, das Verbrechen, um das es da geht, liegt erst ein oder zwei Jahre zurück, äußerstenfalls drei. Und der Täter muss jemand sein, der nicht den Mut hat, für die Folgen seiner Tat einzustehen, der in Ehrendingen verletzlich ist und keine Freunde hat, die sich vor ihn stellen oder für ihn eintreten. Das heißt, wir haben es hier nicht mit einem Berufsverbrecher zu tun, sondern mit jemandem, der eine einzige schwere Straftat begangen hat. Außerdem ist es jemand, den Wetron benutzen kann. Das engt den Kreis derer, die infrage kommen, stark ein.«
    Pitt ärgerte sich, dass ihm das nicht selbst aufgegangen war. Aber so bitter es für ihn war, dass ausgerechnet Voisey ihn mit der Nase darauf stieß – er durfte sich der Erkenntnis nicht verschließen, dass der Mann Recht hatte.
    »Wetron dürfte das Beweismaterial an einem sicheren Ort aufbewahren«, sagte Voisey mit finsterer Miene. »Sofern wir es in die Hand bekämen, könnten wir seine Beteiligung an dem Verbrechen beweisen. Also brauchen wir es um jeden Preis. Ganz gleich, wen wir dafür einspannen müssen.« Er sah Pitt aufmerksam an.
    Dieser fühlte sich in einen übermächtigen Strudel hineingerissen,
gegen den er nicht hätte ankämpfen können. Gegen die Sache aufzubegehren wäre unvernünftig gewesen. Hier hatte Voisey seine Finger auf keinen Fall mit im Spiel.
    »Ich spreche mit Tellman.« Er erhob sich. Er wollte nicht länger bleiben. »Wir haben sonst niemanden, dem wir trauen können.«
    Voisey tat einen Schritt zurück. »Gut«, sagte er. »Wir müssen rasch handeln. Im Unterhaus wird man das Gesetz so schnell wie möglich durchpeitschen wollen.«
    Pitt unterließ jeden Hinweis darauf, dass sich Voisey großspurig mit eingeschlossen hatte, als er ›wir‹ sagte, obwohl er, Voisey, dabei nicht das geringste Risiko einging. Er überlegte bereits, wie er Tellman finden konnte und was er ihm sagen sollte.

    Es zeigte sich, dass der erste Teil seines Vorhabens einfacher zu verwirklichen war, als er erwartet hatte, der zweite war dafür allerdings umso schwieriger. Tellman befand sich in seiner Wohnung, und die Vermieterin, die Pitts Besuche allmählich gewöhnt war, führte ihn sogleich nach oben. Ihr Angebot, Tee zu machen, lehnte er dankend ab, da er nicht wollte, dass man sie bei ihrer Besprechung unterbrach.
    Tellman saß am Kamin, in dem nur ein kleines Feuer brannte, das wohl die abendliche Kühle vertreiben und eine heimelige Atmosphäre schaffen sollte. Er hatte die hohen Schnürschuhe ausgezogen und den steifen Kragen abgelegt und schien sich ausgesprochen wohl zu fühlen.
    Pitt bekam ein schlechtes Gewissen, weil er in diese Idylle eindrang.
    Tellman stand bei seinem Eintreten sofort auf.
    »Was ist passiert?«, fragte er eindringlich und mit Anspannung in der Stimme.
    In knappen Worten berichtete ihm Pitt über den Dynamitfund auf der Josephine und wie man ihn und Voisey dabei beinahe umgebracht hätte.
    »Und dahinter steckt Grover?«, fragte Tellman gequält. Er
hatte sich wieder gesetzt, und Pitt nahm ihm gegenüber Platz. Auch wenn Tellman nicht viel für Grover übrig hatte, handelte es sich immerhin um einen Kollegen, und so schmerzte es ihn, dass er zum Verräter an der Polizei geworden war.
    »Ja. Ich habe Zeugen dafür gefunden, dass er zu der bewussten Zeit dort war«, gab Pitt zur Antwort.
    Tellman sah ihn im sanften, warmen Feuerschein finster an. »Ich kann ihn nicht festnehmen.«
    »Das ist mir klar. Das ist auch nicht der Grund, warum ich hergekommen bin. Ich habe Ihnen das nur berichtet, weil es zu der Geschichte gehört. Ich war gerade bei Voisey.« Bei diesen Worten hätte er Tellman am liebsten

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