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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sie den Blick angespannt von einer zur anderen
wandern. Zwar wagte sie nicht, sich in das Gespräch einzumischen, doch hatte sie, was dies Thema anging, unübersehbar ihre eigenen Vorstellungen.
    »Auf keinen Fall«, gab Vespasia zur Antwort.
    Gracie sog scharf die Luft ein.
    Charlotte entspannte sich ein wenig und lächelte. »Ich kann den Leuten nachfühlen, dass sie so empfinden«, räumte sie ein. »Die Gewalttätigkeit hat ein beängstigendes Ausmaß erreicht, und wir müssen alles tun, was wir können, um solche Vorfälle zu verhindern.«
    Als Gracie hörte, in wie gemäßigtem Ton sie das sagte, konnte sie nicht mehr an sich halten. Weil Charlotte und nicht Lady Vespasia sprach, fühlte sie sich nicht verpflichtet, weiterhin zu schweigen. »Da hat man die Häuser von einfach’n Leut’n in de Luft gejagt!«, stieß sie voll Verzweiflung hervor. »Die ham kein Geld un keine Macht, da muss de Polizei un de Regierung se schütz’n! Es is entsetzlich. Ich hab in der Zeitung Bilder von dem geseh’n, was da passiert is. Wo soll’n de Leute jetz schlaf’n? Ihr Haus is weg, se ham nix mehr. Wer ersetzt ihn’n das?«
    Charlotte wurde rot vor Verlegenheit, da sie fürchtete, dass Vespasia diesen Ausbruch als unpassend empfinden könnte.
    Vespasia sah Gracie so ernsthaft an, dass dieser alle Farbe aus dem Gesicht wich. Aber sie senkte den Blick nicht.
    »Das ist eine äußerst üble Situation«, sagte sie rasch. »Ich werde tun, was ich kann, um dafür zu sorgen, dass den Menschen, die ihr Heim verloren haben, mit Geld geholfen wird. Ich denke nicht daran, Mr Denoon zu unterstützen, denn ich habe keinen Grund anzunehmen, dass er sich bei seinem Vorgehen auch nur im Geringsten mäßigen wird. Im Gegenteil fürchte ich, dass er das Problem mit seiner radikalen Haltung nicht lösen, sondern eher noch verschärfen wird.«
    Gracie sah verblüfft drein. »Tatsächlich? Ich mein, Se woll’n den’ wirklich helf’n?«
    Das Wasser im Kessel siedete, doch niemand achtete darauf.
    »Mein Wort darauf«, bekräftigte Vespasia feierlich. »Was Sie
sagen, ist durchaus berechtigt. Wir neigen allzu leicht dazu, unserem Zorn über die Zerstörung nachzugeben und zu überlegen, auf welche Weise wir deren Urheber bestrafen können, statt uns um Hilfe für die Menschen zu bemühen, die darunter leiden müssen.«
    Niemand hatte gehört, dass Pitt zur Haustür hereingekommen war und sich durch den Flur der Küche genähert hatte.
    »Danke, Tante Vespasia«, sagte er ernst. Er trat ein und begrüßte nacheinander sie, Charlotte und Gracie. Dann setzte er sich auf einen freien Stuhl.
    »Man muss damit rechnen, dass es zu einer heftigen Reaktion kommt, Thomas«, sagte Vespasia zu ihm. »Edward Denoon will einen Feldzug zur generellen Bewaffnung der Polizei starten und durchsetzen, dass sie das Recht bekommt, mehr oder weniger nach Gutdünken Personen und Wohnungen zu durchsuchen.« Wer Denoon war, brauchte sie ihm nicht zu erklären.
    »Ich weiß«, sagte er düster. »Meinst du, dass er damit durchkommt?«
    Sie erkannte die Besorgnis auf seinem Gesicht und sein Bedürfnis nach Hoffnung. Sie hatte ihn noch nie belogen und würde es auch jetzt nicht tun. »Ich glaube, es wird schwierig sein, ihn daran zu hindern. Viele anständige Bürger sind sehr aufgebracht und haben große Angst«, sagte sie.
    Pitt wirkte müde. »Ich weiß. Vielleicht haben sie auch ein Recht dazu. Aber indem man die Polizei mit Schusswaffen ausrüstet, macht man nichts besser. Das Letzte, was wir brauchen, sind Feuergefechte auf öffentlichen Straßen. Und wenn man anfängt, Menschen ohne wirklichen Grund zu durchsuchen oder in ihre Wohnung einzudringen, den einzigen Ort, an dem sie Herr ihres Lebens zu sein glauben, werden sie nicht mehr bereit sein, der Polizei zu helfen. Und dabei haben wir dreißig Jahre gebraucht, um zu erreichen, dass sie es tun.«
    Gracie sah verwirrt drein. Da er mit dem Rücken zu ihr saß, sah er die Betroffenheit auf ihren Zügen nicht, wohl aber Charlotte.
    »Wir müssen gegen sie kämpfen«, sagte sie. »Wie gehen wir dabei am besten vor? Hast du eine Vorstellung davon, wer diese Leute sind oder zumindest von dem, was sie wollen?«
    »Ich kenne ihre Forderungen; sie haben sie genannt«, sagte er matt.
    Charlotte spürte, dass ihn etwas quälte, und zwar mehr als alles zuvor. »Und die wären?«
    »Sie wollen, dass die Korruption bei der Polizei aufhört«, gab er zur Antwort.
    Charlotte erstarrte. »Korruption? Bei der Polizei?«
    Pitt

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