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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kamen, hatte Tellman nichts übrig. Es hatte lange gedauert, bis sich die beiden zusammengerauft hatten und einander vertrauten. Als man Pitt dann aus seiner Stellung entfernt hatte, war es Tellman gewesen, der Charlotte mit seiner unverbrüchlichen Treue das Leben gerettet hatte.
    Auf Carmodys Züge stahl sich der Ausdruck von Triumph, als er merkte, dass Pitt ihm die Antwort schuldig blieb. Offenbar hatte er mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen.
    »Wenn Sie keine Vorschriften wollen«, gab Pitt schließlich zurück, »warum beschweren Sie sich dann eigentlich darüber, dass sich der eine oder andere in der Bow Street nicht daran hält? Müsste das nicht Ihren Beifall finden?«
    »Weil Sie Heuchler sind, einer wie der andere!«, stieß Carmody hervor. »Sie halten die Vorschriften nur dann ein, wenn es Ihnen in den Kram passt!«
    »Sie etwa nicht?«, setzte Pitt dagegen. »Geht es nicht genau darum? Man tut, was man will, keine Vorschriften, nicht einmal zwecks ihrer Einhaltung.«
    Carmody sah einen Augenblick lang verwirrt drein.
    Pitt beugte sich vor. »Hören Sie«, sagte er mit Nachdruck. »Mir liegt ebenso viel daran wie Ihnen zu erfahren, wer Magnus umgebracht hat, wenn nicht gar mehr. Wer auch immer der Täter war – er hat sich gegen die Vorschriften vergangen, nach denen ich lebe. Sie sagen, dass Sie nichts von Vorschriften halten, aber das ist Unsinn. Sie sind wütend auf mich, weil Sie überzeugt sind, dass ich Sie belüge …«
    »Ist es denn nicht so?«, hielt ihm Carmody vor.
    »Sie haben also Vorschriften im Hinblick aufs Lügen!«, sagte Pitt trocken.
    Carmody sog scharf die Luft ein.
    »Sie glauben also, dass einer von uns Magnus erschossen hat«, fuhr Pitt fort. »Wütend macht Sie das deshalb, weil Sie nicht damit rechnen, dass Polizeibeamte kaltblütig Menschen umbringen. Also kennen auch Sie Vorschriften in Bezug auf das Töten. Wie steht es mit Verrat? Haben Sie da ebenfalls Vorschriften?«
    Carmody sah ihn wortlos an.
    Pitt wartete.
    »Ja«, gab Carmody schließlich zu. Er sah Pitt misstrauisch und gekränkt an.
    »Wer immer Magnus erschossen hat, hätte ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, auch Sie und Welling zu erschießen«, gab Pitt zu bedenken. »Warum hat er es nicht getan?«
    Carmody sah ihn verständnislos an.
    »Nun, wenn es ein Polizeibeamter war, würde das doch einen Sinn ergeben«, ließ Pitt nicht locker. »Warum sollte er Zeugen zurücklassen? Was ist denn der Unterschied zwischen einem Anarchisten und einem anderen?«
    »Magnus war unser Anführer«, gab Carmody ohne das geringste Zögern zurück. »Es ist doch sinnvoll, den Anführer umzubringen.«
    »Wenn der Täter aber keiner von Ihnen war – woher hätte er wissen sollen, dass Magnus Ihr Anführer war?«, fragte Pitt.
    Carmody schwieg. Sein Gesicht war bleicher als zuvor, und er sah Pitt mit angespannter Aufmerksamkeit an. Die gespielte Teilnahmslosigkeit war wie mit einem Schlag verflogen.
    »Sofern uns über Sie etwas bekannt gewesen wäre, hätten wir Sie verhaftet, lange bevor Sie einen Anschlag wie den in der Myrdle Street verüben konnten«, gab Pitt zu bedenken. »Immerhin stellt uns der Vorfall kein gutes Zeugnis aus, lässt uns unfähig erscheinen. Warum haben Sie Grovers Haus in die Luft gejagt?
Wieso hat es von allen Polizeibeamten Londons ausgerechnet ihn getroffen?«
    »Weil er für Simbister im Revier Cannon Street alle schmutzigen Aufträge erledigt hat«, gab Carmody zur Antwort. Wut ließ seine Stimme zittern, von Verwirrtheit war nichts mehr zu spüren.
    In Pitts Brust krampfte sich etwas zusammen. »Und wieso waren Sie davon unterrichtet?«, fragte er.
    Ungehalten knurrte Carmody: »Wenn Sie Magnus gekannt hätten, würden Sie nicht zweifeln.«
    »Ich habe ihn aber nicht gekannt.«
    Mit Stolz in der Stimme erklärte Carmody: »Er war sehr umsichtig. Er hat alle wichtigen Fakten zusammengetragen – Uhrzeiten, Treffpunkte, Beträge. Er wusste genau, wer wie viel bezahlen musste, wer die armen Leute bedroht und die bestraft hat, die sich weigerten. Er hat sogar für manche von ihnen die Schulden bezahlt.« Wütend funkelte er Pitt an, weil er in seinem Schmerz hilflos war und nichts gegen die Ungerechtigkeit unternehmen konnte, die da geschehen war.
    Pitts Weltbild geriet ins Wanken; er glaubte Carmody. Aber er musste mehr erfahren und durfte nicht erwarten, dass dieser ihm traute. Er versuchte, nicht zu zeigen, was er empfand. »Und das wissen Sie bestimmt?«
    »O ja!« Carmody beugte sich ein

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