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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Staatsschutz hat nun einmal die Aufgabe, sich mit unangenehmen Dingen und daher zwangsläufig auch mit sehr unangenehmen Menschen herumzuschlagen.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, nicht, weil sie annahm, er könne es für aufrichtig halten, sondern um ihm zu zeigen, dass sie über mehr Selbstbeherrschung verfügte als er. »Ich bin so froh, dass Sie es für unklug und überflüssig halten, der Polizei mehr Schusswaffen oder größere Vollmachten zur Durchsuchung von Menschen ohne triftigen Grund zu geben. Sie haben völlig Recht mit Ihrer Überzeugung, dass der Polizei nichts so sehr hilft wie die Unterstützung durch die Bevölkerung. Das dient den Interessen aller.«
    Er sah sie aufmerksam an, wollte in ihrem Gesicht lesen, ob hinter ihren Worten eine tiefere Bedeutung lag. Sie sah ihm seine
Unsicherheit an. Er hätte gern gewusst, ob Pitt seine Geheimnisse mit ihr teilte.
    »Den Interessen aller sicherlich nicht, Mrs Pitt«, sagte er ruhig. »Möglicherweise Ihren und meinen. Aber es gibt Menschen, deren Ehrgeiz in eine andere Richtung zielt.«
    »Davon bin ich überzeugt«, stimmte sie zu und zögerte dann. Sollte sie ihn wissen lassen, wie weit sie die Situation durchschaute?
    Er sah das und lächelte. »Auf Wiedersehen, Mrs Pitt«, sagte er und schien dabei fröhlich. »Die Begegnung mit Ihnen war mir ein unerwartetes Vergnügen.« Mit diesen Worten ging er rasch davon. Sie hatte das eigenartige Gefühl, im Nachteil zu sein, und ihr blieb die Erinnerung an den Augenblick unverhüllten Hasses, der sich tief in ihr Bewusstsein eingebrannt hatte.

    Vespasia zerbrach sich den Kopf auf der Suche nach einem brauchbaren Vorwand für einen erneuten Besuch bei Cordelia Landsborough. Kein auch nur annähernd feinfühliger Mensch suchte von sich aus ein Trauerhaus auf. Nur eins konnte einen solchen Besuch rechtfertigen: Cordelias Wunsch, an der Verwirklichung von Tanquerays Gesetzentwurf mitzuwirken.
    Die Kutsche rollte durch stille Wohnstraßen mit eleganten georgianischen Häusern, vor deren Fassaden sich die Bäume mit jungem Laub geschmückt hatten. Nur wenige Menschen waren auf den Gehwegen zu sehen, meist Frauen, die ihren Teint mit Sonnenschirmen schützten und durch deren Röcke raschelnd der Wind fuhr.
    Vespasia dachte an Charlotte und an die Angst, die sie in ihrer Stimme gehört hatte, als sie davon gesprochen hatte, es könne sich als notwendig erweisen, gegen Voisey vorzugehen, sofern dieser für Pitt zur Bedrohung wurde. Nicht die Sorge, dabei selbst verletzt zu werden, bereitete ihr Furcht, sondern die Möglichkeit, andere zu verletzen, und das Bewusstsein, dass sie es tun würde.
    Mit einem Mal kam Vespasia der Einfall, nach dem sie gesucht
hatte. Als sie vor dem Haus der Landsboroughs ausstieg, wusste sie genau, was sie sagen würde, falls Cordelia sie empfing. Sie würde alles tun, um möglichst nicht abgewiesen zu werden.
    Wie sich zeigte, war das nicht nötig, denn sie wurde ohne Umschweife durch das schwarz verhängte Vestibül in den Salon geführt. Dort stand Cordelia am Fenster und sah auf den Rasen und die frühen Sommerblumen.
    »Wie aufmerksam von Ihnen, so bald wieder zu kommen«, sagte sie. Es klang in keiner Weise unfreundlich oder gar giftig, und auf ihren bleichen, erschöpften Zügen lag kein Hinweis darauf, dass sie nicht meinte, was sie sagte.
    Einen Augenblick lang hatte Vespasia Mitleid mit ihr. Auf dem Gesicht dieser herben Schönheit hinterließ der Kummer tiefere Spuren als in weicheren, weiblicheren Gesichtern. Tiefe Linien zogen sich von der Nase zum Mund, und ihre Lippen wirkten blutleer. Ihre von Natur aus tiefschwarzen Brauen sahen über ihren eingesunkenen Augen, unter denen dunkle Schatten lagen, wie offene Wunden aus.
    »Man könnte meinen Besuch als zudringlich auffassen«, sagte Vespasia, »aber ich hoffe, dass Sie das nicht tun. Mir geht die Gewalttätigkeit der Anarchisten und der Schrecken, den alle möglichen Menschen vermutlich dabei empfinden, nicht aus dem Kopf. Wir müssen dagegen ankämpfen, und ich bewundere den Mut und die Selbstlosigkeit, mit der Sie das tun, obwohl Sie gerade jetzt einen so schweren Verlust erlitten haben.« Mit der letzten Äußerung war es ihr ernst, denn so wenig sie Cordelia stets hatte leiden können, die ihr gelegentlich grausam und selbstsüchtig erschienen war, war sie doch jetzt voll Bewunderung für die Stärke, die diese Frau an den Tag legte.
    Vielleicht hörte Cordelia diese Aufrichtigkeit aus ihren Worten heraus. »Danke«,

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