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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ohne auf den militärischen Vergleich und die Anspielung auf Lord Tennysons berühmtes Gedicht einzugehen.
    »Natürlich soll er das, aber doch so, dass dabei ein Ergebnis herauskommt. Sonst könnte das jeder Dummkopf!« Emily ging immer schneller, sodass Charlotte ihren Schritt noch einmal beschleunigen musste, um nicht zurückzubleiben. Die Röcke schlugen ihr wild um die Beine, und fast hätte sie einen jungen Mann umgerannt, der ihr entgegenkam.
    »Entschuldigung«, sagte sie.
    »Ich nehme an, ich kann nicht erwarten, dass du das verstehst«, spann Emily den Faden fort. »Du warst ja auch nie in dieser Situation.«
    »Ich habe mich nicht bei dir entschuldigt!«, stieß Charlotte empört hervor. »Ich habe jemanden angestoßen.«
    »Dann pass gefälligst auf, wo du gehst!«
    »Glaubst du eigentlich, du hast als Einzige einen Mann, der sich in Gefahr begibt, um zu tun, was er für richtig hält?«, wollte Charlotte wissen. »Wie unglaublich ichsüchtig du bist.«
    Emily blieb so unvermittelt stehen, dass zwei Männer, die hinter ihr gingen, alles Geschick aufbieten mussten, um ihr im letzten Augenblick auszuweichen.
    »Damit tust du mir Unrecht!«, begehrte sie auf, ohne auf die Männer zu achten.
    »Nicht im Geringsten«, gab Charlotte zurück. »Entschuldigung«,
sagte sie zu den Männern. »Sie ist überreizt.« Dann wandte sie sich erneut Emily zu. »Falls du dir selbst gegenüber ehrlich wärest – von mir wollen wir gar nicht reden –, würdest du das gar nicht anders wollen. Wenn er sich den Problemen nicht stellte, hättest du nichts für ihn übrig. Schon möglich, dass du ihn nach wie vor liebtest, aber du würdest ihn auch verachten – und diese Art von Liebe ist nicht von langer Dauer.«
    Emily machte ein entsetztes Gesicht. Von einem Augenblick auf den anderen war ihre Wut verraucht.
    »Tut mir Leid, Charlotte«, sagte sie zerknirscht. »Ich habe so schreckliche Angst, dass er sich fürchterliche Unannehmlichkeiten damit einhandelt und nicht weiß, wie er da wieder herauskommt. Und ich habe keine Ahnung, wie ich ihm helfen könnte.«
    Charlotte konnte sich genau vorstellen, was Emily empfand: Hilflosigkeit und Zorn darüber, wie ungerecht es in solchen Situationen zuging. Damit aber hätte sie rechnen müssen. Schließlich wusste sie genau, nach welchen Gesetzen die Gesellschaft funktionierte, und Jack war das ebenfalls bekannt. Er war den Weg gegangen, für den er sich entschieden hatte, weil das seinem Wunsch entsprach – genauso, wie es Pitt schon so oft getan hatte.
    »Helfen kannst du ihm nur damit, dass du an ihn glaubst«, sagte Charlotte freundlich. Sie kannte keinen anderen Wunsch, als ihrer Schwester beizustehen. »Sorg dafür, dass er nicht an sich selbst zweifelt, und erweck vor allem nicht den Eindruck, dass du kein Vertrauen in ihn hast, selbst wenn du vor Angst verrückt zu werden glaubst.«
    »Machst du das so?«, fragte Emily.
    »Mehr oder weniger. Na ja, eigentlich weniger«, gab Charlotte zu. »Ich werde jetzt als Nächstes versuchen, so viel wie möglich über Charles Voisey in Erfahrung zu bringen. Er muss irgendwo verwundbar sein, und ich will feststellen, wo. Ich melde mich bei dir, sobald ich etwas weiß.« Sie lächelte ein wenig, wandte sich um und ging fort.
    Es war ihre Absicht gewesen, Voisey aufzuspüren und womöglich sogar mit ihm zu sprechen. Wie sich zeigte, sprach er sie an.
    »Guten Tag, Mrs Pitt.«
    Sie fuhr herum und sah, dass er einige Schritte hinter ihr stand, ein feines Lächeln auf den Zügen.
    »Guten Tag, Sir Charles.« Sie musste sich räuspern. Es ärgerte sie, dass er sie überrumpelt hatte. »Ihre Rede vorhin war sehr eindrucksvoll.«
    Seine Augen weiteten sich kaum wahrnehmbar, sodass sie nicht sicher sein durfte, ob sie sich das nur eingebildet hatte. »Nehmen Sie etwa Anteil an der Frage, ob die Polizei bewaffnet sein soll oder nicht, Mrs Pitt? Ihr Mann ist doch jetzt beim Staatsschutz. Da kann er sicher jederzeit eine Schusswaffe tragen, wenn er der Ansicht ist, dass die Situation das erfordert?« Er senkte die Stimme ein wenig. »Wie bei der Belagerung des Hauses in der Long Spoon Lane. Bestimmt waren Sie sehr erleichtert, dass er unverletzt geblieben ist. Unangenehme Sache, das.« Er verzog die Lippen zu einem Lächeln, doch sein Blick war hart und beherrscht, und einen kleinen Augenblick lang brachte er es nicht fertig, seinen Hass zu verbergen.
    »Gewiss«, sagte sie, und es gelang ihr, ihre Worte fast neutral klingen zu lassen. »Der

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