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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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einen anderen von uns treffen, zum Beispiel mich.« Er holte tief Luft. »Es sei denn, es gäbe etwas im Zusammenhang mit Grover, was ich nicht weiß.«
    Wetrons ausdrucksloses Gesicht verriet nichts. Reglos lagen seine Hände auf der Schreibtischplatte. »Sind Sie der Ansicht, dass die Anarchisten es auf Oberwachtmeister Grover abgesehen hatten?«
    »Ich ahne es nicht, Sir, und ich möchte keine voreiligen Theorien aufstellen. Selbstverständlich kann es Zufall sein, dass es das Haus eines Polizeibeamten getroffen hat, Sir«, sagte er. »Andererseits kannte Grover dort viele Menschen und hat vermutlich den einen oder anderen dadurch verärgert, dass er ihn ins Gefängnis gebracht oder ihm das Geschäft verdorben hat. Vielleicht haben diese Leute für die Anarchisten einige Geldscheine gedruckt und sie gefragt, ob sie ihnen nicht den Gefallen tun könnten, mit ihrem Dynamit ein bestimmtes Haus in einer bestimmten Straße zu sprengen?« Er war mit seiner Antwort zufrieden. Sie klang plausibel.
    Wetron sah ihn scharf an. »Ist das Mr Pitts Theorie?«
    »Davon ist mir nichts bekannt, Sir.« Das stimmte auf jeden Fall, auch wenn es nicht so klang. »Ich vermute, dass ihm mehr daran liegt, sie zu fassen, als daran, zu erfahren, ob sie es auf ein bestimmtes Haus abgesehen hatten.«
    Wetron lächelte, wobei man seine kleinen, gleichmäßigen Zähne sah. »Ihr Mr Pitt ist wohl nicht besonders schnell, was?«, fragte er mit einem Anflug von Spott in der Stimme. »Die Anarchisten beschaffen sich ihre Mittel selbst – das weiß sogar ich, und zwar einfach dadurch, dass ich mich ein bisschen umgehört habe. Das kann er, wie es aussieht, nicht einmal mithilfe kriminalistischer Methoden herausbekommen – ebenso wenig wie Sie.«
    Zornesröte trat auf Tellmans Gesicht. Er spürte, wie seine Wangen brannten, und ihm war klar, dass Wetron das sehen musste. Instinktiv neigte er dazu, eher Pitt als sich selbst zu verteidigen. Vielleicht wollte ihn Wetron dazu provozieren. Wenn er nicht auf diese Herausforderung einging, würde Wetron wissen, dass er sich bewusst zurückhielt. Was erwartete der Mann? Einen Bluff? Einen doppelten Bluff?
    Wetron wartete und sah ihn aufmerksam an. Er musste unbedingt reagieren. Ein Zögern würde nicht nur seine Besorgnis preisgeben, sondern ihn auch als Lügner erscheinen lassen.
    »Ja«, stimmte er zu. »Es kann sein, dass er nicht mehr so viel erfährt, seit er nicht mehr bei der Polizei ist. Und wir haben ihm ja wohl nichts gesagt.«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Wetron immer noch lächelnd. »Ich könnte mir denken, dass er Kontakte hat, Leute, die ihn auf dem Laufenden halten. Meinen Sie nicht auch, Oberwachtmeister?«
    Tellman wusste, dass seine Stimme vor Anspannung belegt und unnatürlich klingen würde. Trotzdem unterdrückte er das Bedürfnis, sich zu räuspern. »Nun, Sir, wenn Sie die Sache mit den Anarchisten wissen und er nicht, muss man annehmen, dass er nicht über besonders gute Zuträger verfügt«, gab er zur Antwort.
    »Ja, das sollte man glauben, nicht wahr?«, sagte Wetron. »Vermutlich fragt er Leute, denen ihre Vorgesetzten und ihre Kollegen nicht trauen.«
    Da war sie, die unüberhörbare Warnung. Tellman konnte die Sache an Pitt weiterberichten und sich damit zu der Kategorie bekennen, in die ihn sein Vorgesetzter mit diesen Worten eingeordnet hatte, oder es ihm verschweigen – dann aber wäre er Pitts Vertrauens unwürdig.
    Er konnte die Befriedigung, die Wetron ausstrahlte, fast mit Händen greifen.
    »Ausgesprochen töricht!«, fuhr dieser fort. »Ein Polizeibeamter im Außendienst, der das Vertrauen der Männer nicht genießt,
auf die er angewiesen ist, lebt ausgesprochen gefährlich. Es gibt in London eine Menge Orte, an denen ihn das sogar das Leben kosten könnte.«
    Tellman dachte an die Situation mit Grover und Stubbs in dem Gässchen. Wusste Wetron davon – durch einen von beiden? Lediglich Leggys zufälliges Auftauchen hatte verhindert, dass er Stubbs ausgeliefert war – auf die eine oder die andere Weise.
    »Ja, Sir«, sagte er. »Sollen wir dem Staatsschutz den Gefallen tun und ihm mitteilen, woher die Anarchisten ihr Geld haben? Es könnte nützlich sein, bei den Leuten einen Stein im Brett zu haben.«
    »Meinen Sie, dass die uns den Gefallen eines Tages erwidern würden?«, fragte Wetron überrascht.
    Tellman kam sich einfältig vor. Bei Pitt war er seiner Sache sicher, ob sich aber Victor Narraway zu einer solchen Handlungsweise verpflichtet fühlen

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