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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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konnte sich noch gut daran erinnern, wie herablassend sie ihn immer behandelt hatte. Mit in die Luft gereckter Nase war sie an ihm vorübergegangen, was eine beachtliche Leistung war, denn schließlich maß sie gerade einen Meter fünfzig und war so dürr wie ein halb verhungertes Kaninchen. Aber ihre Energie hätte für zwei Frauen ihrer Größe ausgereicht, und Tellman war von Anfang an von ihr gefesselt gewesen. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er sich fast ein ganzes Jahr lang eingeredet hatte, er empfinde ihr gegenüber ausschließlich Ärger wegen ihrer Art, sich ständig in alles einzumischen, und sonst nichts.
    Jetzt drängten sie gemeinsam mit der Menge voran und wurden an ihre Plätze geführt. Alle machten es sich bequem, Frauen ordneten ihre Röcke. Die Menschen unterhielten sich, lachten, beschwerten sich über die Sitznachbarn oder riefen Bekannten etwas zu, die sie im Zuschauerraum entdeckt hatten.
    Das Programm war vielversprechend: ein Akrobat, zwei Jongleure, zwei Schlangenmenschen, die gemeinsam auftraten, eine Tänzerin, mehrere Gesangsnummern und zwei erstklassige Clowns. Tellman hatte für Gracie Schokolade und Pfefferminzbonbons gekauft und wollte sie in der Pause zu einem Glas Limonade einladen.
    Der Vorhang hob sich. Unter prasselndem Beifall kündigte der Conférencier mit gedrechselten Worten und blumigen Umschreibungen
die einzelnen Auftritte an. Vor allem gefielen Gracie und Tellman die überaus geschickten Jongleure, die ihrer Darbietung eine lustige Note gaben, wie auch der äußerst anmutige Akrobat, der zugleich eine Pantomime ablieferte. Wie alle anderen im Publikum stimmten sie begeistert mit in die Lieder ein, die auf der Bühne vorgetragen wurden. Das Ende der ersten Programmhälfte bestritt einer der beiden Clowns, der brüllendes Gelächter erntete.
    Als sich der Beifall gelegt hatte und der rote Samtvorhang gefallen war, stand Tellman auf.
    »Möchtest du gern eine Limonade?«, fragte er.
    »Danke, Samuel«, sagte Gracie höflich. »Das wäre sehr schön.«
    Wenige Minuten später kehrte er zurück und reichte ihr das Glas. Sie nahm einen kleinen Schluck daraus und verzog das Gesicht.
    »Was ist?«, fragte er besorgt. »Ist sie zu sauer?«
    »Nein, sie ist köstlich«, gab sie zur Antwort. »Ich mach mir nur Sorgen um Mr Pitt.«
    »Wieso das?«, fragte er und hoffte, sie mit einer einfachen Erklärung beruhigen zu können. »Die Arbeit im Staatsschutz ist eben aufreibender als die bei der Kriminalpolizei.«
    »Weiß ich doch«, erwiderte sie und nahm erneut einen Schluck. Ganz leise, damit niemand in ihrer Nähe hören konnte, was sie sagte, fuhr sie fort: »Er will unbedingt wiss’n, ob stimmt, was de blöd’n Bomb’nleger über de Polizei sag’n. Da kann er ja nich gut jemand frag’n, oder? Wem könnte er da trau’n?«
    »Die meisten von uns sind genauso anständig wie die Leute vom Staatsschutz!«, sagte er hitzig. »Und das ist ihm auch klar.«
    »Dass du so bis’, weiß er«, verbesserte sie ihn, »aber über die ander’n weiß er nix.«
    »Doch. Er weiß …« Er hielt inne, weil ihm aufging, dass auch er nicht wusste, wem er trauen konnte.
    Sie sah ihn aufmerksam an und registrierte die leiseste Regung auf seinem Gesicht. Er spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg, und merkte, dass er rot wurde.
    »Er hat dir was davon gesagt, nich?«, fragte sie ruhig, ohne weiter auf ihre Limonade zu achten. »Du weiß’ doch bestimmt, wovor er Angst hat?«
    Die zwischen ihnen bestehende Freundschaft war viel zu kostbar, als dass er sie hätte aufs Spiel setzen können, indem er sie mit einer Lüge oder auch nur einer Halbwahrheit abspeiste. »Über Angelegenheiten der Polizei darf ich nicht sprechen«, erklärte er gemessen. »Nicht einmal mit dir.« Falls er ihr sagte, dass er lediglich schwieg, um ihr Sorgen zu ersparen, würde sie das nur reizen. Als er das bei einer früheren Gelegenheit versucht hatte, war ihm das nicht nur mit dem Vorwurf vergolten worden, er verhalte sich ihr gegenüber anmaßend, sie hatte ihn auch zwei Monate lang so behandelt, als sei er Luft.
    »Brauchs’ du auch nich«, sagte sie steif. »Ich arbeit’ schon beinah zehn Jahre für Mr Pitt, da weiß ich natürlich, dass er so was auf kein’n Fall durchgeh’n lässt, ganz egal, was es ’n kostet, das aufzudeck’n. Un wenn Mrs Pitt vor Angst um ’n nich aus ’n Aug’n guck’n kann, lässt er sich trotzdem nich davon abhalt’n.«
    »Würdest du etwas anderes wollen?«,

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