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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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würde, war eine völlig andere Frage.
    Auch Wetron schien das zu erwägen. »Wir könnten es ja auf den Versuch ankommen lassen«, sagte er nachdenklich, »wenn die Leute in drei oder vier Tagen immer noch im Dunkeln tappen sollten.«
    Tellman fiel keine Antwort ein, und er wagte nicht, etwas dagegen zu sagen.
    Wetron lehnte sich zurück. »Zieht der Staatsschutz Erkundigungen über die Angehörigen von Magnus Landsborough ein?«, fragte er in einem Ton, als interessiere ihn das nur am Rande.
    Tellman war verblüfft. »Ich ahne es nicht, Sir.«
    Wetron lächelte erneut. »Da sollten sich die Leute einmal umsehen. Am besten bei seinem Vetter Piers Denoon. Vielleicht kommt Pitt im Laufe der Zeit ja sogar von selbst dahinter.« Er sah Tellman mit harten, glänzenden Augen an, als könne er seine Gedanken lesen.
    Tellman war sich ebenso wie Wetron selbst über das Katz-und-Maus-Spiel im Klaren, das er mit ihm trieb. Offenkundig genoss er es, Tellman in der Zwickmühle zu sehen: Würde er Pitt
berichten, worüber sie gesprochen hatten, und sich damit selbst ans Messer liefern – oder nichts sagen und damit Pitt hintergehen? In dem Fall war die Gefahr, dass dessen Bemühungen fehlschlugen, noch weit größer als zuvor – dabei empörte sich schon jetzt halb London darüber, dass der Staatsschutz erst zwei der Anarchisten gefasst hatte und von den übrigen nicht einmal die Namen wusste.
    »Ja, Sir«, sagte Tellman ruhig. Er wagte kaum zu sprechen aus Besorgnis, der Klang seiner Stimme könne ihn verraten. Nur eine Blöße hatte Wetron sich gegeben, und falls Tellman je geglaubt hatte, der Mann sehe sich als Diener des Volkes und nicht als Vertreter seiner eigenen Interessen, so war es damit nun vorbei. Doch vielleicht war es Wetron auch längst klar, dass sich Tellman dieser Täuschung nie hingegeben hatte.
    »Noch etwas, Sir?«, fragte Tellman höflich.
    »Nein«, sagte Wetron und richtete sich in seinem Sessel auf. »Ich wollte lediglich feststellen, aus welchem Grund Sie sich so sehr für den gefälschten Fünf-Pfund-Schein interessiert haben. Mir scheint die Sache ziemlich … belanglos.«
    »Ich nehme an, dass es nicht nur den einen Schein gibt.« Jetzt hob Tellman die Mundwinkel ganz leicht, sodass es wie ein Lächeln aussah. »Wer die Druckplatten hat, kann so viele davon herstellen, wie er will.«
    »Und hat Ihnen dieser … Jones irgendwelche verwertbaren Hinweise geliefert?«
    »Noch nicht, Sir«, sagte Tellman unbewegt. »Aber das kommt noch.«
    Wetron nickte langsam. Er hatte die Kampfansage begriffen und war sicher, dass er Sieger bleiben würde. »Schön, Sie können jetzt gehen.«

    Für Tellman gab es nur eine einzige Möglichkeit. Ganz gleich, wie gefährlich die Sache sein mochte, er konnte unmöglich zulassen, dass Pitt etwas nicht erfuhr, was für ihn möglicherweise von entscheidender Bedeutung war.
    Andererseits konnte es sich ohne weiteres um eine Falle handeln, in der Wetron nicht nur Tellman, sondern auch Pitt fangen wollte. Immerhin hatten die beiden einander schon früher mit abgrundtiefem Hass gegenübergestanden. Zwar war es Wetron nur deshalb möglich gewesen, an die Spitze des Inneren Kreises zu treten, weil Pitt dafür gesorgt hatte, dass Voisey dafür nicht mehr infrage kam, doch würde kein Mitglied die Niederlage je vergessen, die Pitt dem Inneren Kreis damit zugefügt hatte. Er war der erbittertste Gegner dieser Männer, und das wusste jeder Einzelne von ihnen.
    Also musste Tellman auf eigene Faust festzustellen versuchen, ob auf Wahrheit beruhte, was Wetron über Piers Denoon gesagt hatte, und zu allem Überfluss würde er das natürlich in seiner Freizeit tun müssen.
    Erst zwei Abende nachdem sein Vorgesetzter ihn hatte vor sich zitieren lassen, fand er den Mann, den er suchte. Es hatte ihn mehr Zeit und auch mehr Geld als vorgesehen gekostet. Er stieß im Gasthaus Rat and Ha’penny an der Ecke der Hanbury Street auf ihn, unweit der Stelle, an der man viereinhalb Jahre zuvor Jack the Rippers Opfer mit entstelltem Gesicht und aufgeschlitztem Unterleib gefunden hatte.
    Die volle Gaststube roch nach Bier, Schweiß und den Leibern von Menschen, die weder eine Möglichkeit noch Lust hatten, sich zu waschen. Man hörte laute Stimmen und ebenso lautes Gelächter. Tellman saß dem Mann an einem kleinen Tisch gegenüber.
    »’n Verrückter is das!«, sagte Stace und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Er hob sein Glas vom Tisch und sah es anerkennend an. »Der kann jetz’ geg’n sich

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