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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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unpersönlicher als das Nelsons. Es sprach von Ruhm und Bewunderung, nicht aber von Liebe. »Glauben Sie etwa, ich hätte Sie sonst kommen lassen?«
    Es kostete Voisey sichtlich große Mühe, das ›kommen lassen‹ zu überhören. »Was also ist es?«, drängte er.
    Auf keinen Fall war Pitt bereit, ihn von der Festnahme von Taschen-Jones oder seinem Vorhaben zu unterrichten, an dessen Stelle zu treten. Das war ohnedies schon gefährlich genug, da er kaum eine Möglichkeit hatte, sich zu schützen. Aus dem gleichen Grund würde er auch Tellmans Namen nicht nennen.
    »Die Anarchisten werden über Piers Denoon finanziert, Edward Denoons einzigen Sohn«, teilte er Voisey mit. »Allem Anschein nach ist dieser sprunghafte und unberechenbare junge Mann ein glänzender Geldbeschaffer.« Es war nicht zu übersehen, dass Voisey diese Mitteilung aufschlussreich fand, denn ihm gelang es nicht, seine Neugier zu verbergen. »Als man ihn wissen ließ, dass sein Treiben der Polizei bekannt sei«, fuhr Pitt
fort, »hat er das sofort an Simbister weitergemeldet, obwohl es nach Mitternacht war. Simbister leitet die Wache in der Cannon Street.«
    Ohne den geringsten Versuch, seine Empfindungen zu verbergen, stieß Voisey einen herzhaften Fluch aus. So tief war die Röte auf seinen Wangen, dass seine Sommersprossen fast nicht mehr zu sehen waren. »Also doch!«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Die Korruption reicht bis ganz nach oben! Woher wissen Sie, dass Piers Denoon der Geldbeschaffer ist? Von Wetron?«
    »Mittelbar«, sagte Pitt.
    Betont richtet Voisey den Blick auf das Grabmal. »Glänzender Taktiker«, sagte er mit einer Mischung aus Spott, Belustigung und Zorn. »Kennen Sie Wellingtons ›Politik der verbrannten Erde‹? Sie würden das vermutlich nicht billigen. Jedenfalls kann ich es mir nicht vorstellen.« Seiner Stimme war nicht nur anzuhören, dass er selbst die Sache anders sah, er ließ damit auch durchblicken, dass er in der von ihm vermuteten Ablehnung eines solchen Verhaltens durch Pitt Schwäche und mangelnden Mut sah.
    Sein Blick ruhte auf Wellingtons eindrucksvollem Grabmal.
    Pitt, der begriff, dass er ihn damit in die Defensive drängen wollte, tat so, als spiele er mit. »Ich nehme an, diese Politik der verbrannten Erde hat mit Wetron oder Denoon zu tun?«
    »Selbstverständlich, aber ein Held, dem man Liebe entgegenbringt, ist er wohl nicht, oder? Ich vermute, Ihrem Herzen steht Nelson näher. Ihn haben alle bewundert. Außerdem war er so entgegenkommend, im Augenblick seines größten Triumphes an Deck seines Schiffes zu sterben. Wer hätte ihn danach noch infrage stellen können? Der Dummkopf Wellington hingegen ist wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt und danach auch noch Premierminister geworden. Ein ganz unverzeihlich stilloses Verhalten.«
    Ein flüchtiges Lächeln trat auf Voiseys Züge. So ungeheuchelt war seine Belustigung, dass es Pitt schwer fiel, ihm wegen seiner
Worte zu grollen. »Er hat in einem ziemlich frühen Stadium des spanischen Freiheitskampfes gegen die napoleonische Fremdherrschaft die Schlacht von Vimeiro für sich entschieden und im Jahr darauf die Franzosen ostwärts bis Madrid zurückgetrieben. Als er sich aber 1810 zum Rückzug gezwungen sah, hat er alles Land, das er aufgeben musste, in Schutt und Asche gelegt. Abscheulich – aber ausgesprochen wirkungsvoll.«
    »Und das bewundern Sie?«, fragte Pitt. Sogleich ging ihm auf, dass er mit diesen Worten seinen eigenen Widerwillen gegen ein solches Verhalten gezeigt hatte, und er wünschte, er hätte es nicht getan. Es wäre klüger gewesen, Voisey an einer Straßenecke zu treffen, wo es keinen Anlass gab, über Helden, Schlachten oder Kriegstaktiken zu sprechen. Dort wäre er selbst weniger verletzlich gewesen.
    Aber war Voiseys Bedürfnis, sein haushoch überlegenes Wissen herauszustreichen, nicht gleichfalls eine Schwäche?
    Voisey kostete den Augenblick aus. »Wollen Sie etwa zwischen dem Menschen und dem Feldzug unterscheiden?«, fragte er mit erhobener Stimme. »Ohne Wellington wäre Napoleon möglicherweise nicht besiegt worden. Ach was, beinahe sicher. Er war ein Genie. Oder sind Sie anderer Ansicht?« In seiner Stimme lag eine unverhüllte Herausforderung.
    »Natürlich war er das«, stimmte ihm Pitt zu. »Allerdings scheint er mit dem Angriff auf Moskau keine gute Hand bewiesen zu haben. Ein Klügerer als er hätte doch sicher aus der ›Politik der verbrannten Erde‹ in Spanien gelernt. Unter

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