Flammen um Mitternacht
Vermögen auf ihre Kosten. Korac und Honold werden immer
reicher, weil die Illegalen mit Schandlöhnen zufrieden sind. So darf es nicht
bleiben.“
Es war
bereits dunkel, als sie sich von Mustafa verabschiedeten.
Im
Türkenviertel herrschte jetzt Ruhe, nur in den Gaststätten war Betrieb.
Die drei
fuhren zum Pressehaus zurück.
Unterwegs
lehnte Locke den Kopf an Toms Schulter. Weil es warm war im Wagen, hatte sie
ihre Steppjacke abgelegt.
„Trägst du
das Kettchen nicht mehr?“ fragte Tom.
Er meinte
ein Goldkettchen, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Ein kleines Herz
war der Anhänger.
„Doch.
Natürlich. Sonst doch immer. Aber...“Sie setzte sich auf. „Ich glaube, ich muß
mein Zimmer mal entmisten.“
„Das glaube
ich auch“, pflichtete ihr Vater bei.
„Na, so
schlimm ist es nun auch wieder nicht.“
„Immerhin
gehen Dinge darin unter, die dir hoch und heilig sind. Nicht wahr?“
„Du hast es
erraten“, nickte sie. „Ich habe das Kettchen verlegt und finde es im Moment
nicht.“
„Wird schon
wieder auftauchen“, meinte Tom.
Sie
erreichten das Pressehaus und fuhren in die Tiefgarage, wo jetzt etliche Boxen
frei waren, so daß Tom für die Roller einen anderen Abstellplatz fand.
Statt sich
nun selbständig zu machen, blieben die beiden Junioren an Gunters Seite,
wollten sie doch miterleben, wie die Polizei reagierte, wenn sie den Tip
erhielt.
In Gunters
Vorzimmer saß — wie immer — Melanie Frühauf, eine nicht mehr ganz junge, aber
sehr gepflegte Frauensperson, deren Zuverlässigkeit als Redaktionssekretärin im
ganzen Haus bekannt war. Für Gunter, ihren Chef, hätte sie alles getan. Daß sie
ihn heimlich verehrte, war ein offenes Geheimnis. Freilich — der Zusammenarbeit
war die stille Schwärmerei nur förderlich. Wußte Melanie doch, daß Gunter Rehm
bei Toms Mutter, Dr. Helga Conradi, in festen Händen war. Das hinderte Melanie
freilich nicht, von ihm zu träumen.
„Hallo, der
Nachwuchs!“ begrüßte sie die Jugendlichen freudig. Zu Gunter sagte sie:
„Staatsanwalt Weber ist eben gekommen.“ Leiser fügte sie hinzu: „Und hartnäckig
wie ein Maulesel. War nicht abzuwimmeln. Will Sie unbedingt sprechen, Chef.“
„Wehe,
Frühauf, Sie hätten ihn verjagt. Die Sache ist wichtig.“
Staatsanwalt
Josef Weber saß an Gunters Besuchertisch: ein stabiler Mann von Mitte Fünfzig,
wuchtig, fast derb, mit rotgeäderter Nase.
Locke hätte
nicht vermutet, daß es sich um einen Rechtsgelehrten handelt, ihn eher als
Innungsmeister der Metzger eingeschätzt.
Kummer
drückte ihn fast zu Boden. Das sah man sofort. Er saß zusammengesunken, ließ
die Unterlippe hängen, die Hände zwischen den Knien, und starrte auf den
Teppich.
Aber dann
schreckte er hoch, und ein Lächeln quälte sich auf seine Züge.
„Guten Tag,
Herr Rehm! Entschuldigen Sie, daß ich Sie unangemeldet überfalle, aber...“
Er machte
eine Geste, die besagte: Da die Welt ohnehin untergeht, kommt’s darauf nun auch
nicht mehr an.
Gunter
schüttelte ihm die Hand und stellte das Pärchen vor.
„Du bist
also Nina.“
Weber nahm
sie sanft bei den Schultern und übergoß sie mit seinem bewundernden Blick.
„Wahrscheinlich,
Nina, verdanke ich dir mein Leben. Wenn du in der Freitagnacht nicht so beherzt
gewesen wärst... Mein Gott!“
Locke
kriegte Augen wie Untertassen. Tom staunte. Gunter furchte die Stirn. Er kannte
Weber lange genug, um zu wissen, daß er nicht übertrieb.
Sie setzten
sich. Webers Blick glitt über Tom, dann fragend zu Gunter.
„Tom ist wie
mein Sohn, gehört zur Familie. Sie können völlig offen vor ihm reden.“
Weber
nickte. „Daß nichts aus diesen vier Wänden herausdringen darf, ergibt sich von
selbst, wenn ihr hört, was ich zu sagen habe. Sollte euch Verschwiegenheit
schwerfallen“, wandte er sich an die beiden Junioren, „wäre es besser, ihr
zieht euch jetzt zurück.“
„Wir sind
absolut verschwiegen“, versicherte Locke eilig, platzte sie doch beinahe vor
Neugier. „Auf uns können Sie sich verlassen wie auf sich selbst.“
„Gut.“
Er zog seine
Brieftasche hervor und entnahm ihr ein Foto, das er Locke hinhielt.
„Kennst du
die Frau?“
Sie mochte
Mitte Dreißig sein, hatte ein schmales Gesicht mit kessen Augen und trotzigem
Mund. Das Haar war silberblond und nach hinten gebunden.
„Ja“, sagte
Locke. „Ich erkenne sie wieder: die Frau, die in der Nacht zum Samstag in Ihr
Wochenendhaus eingebrochen ist.“
„Und der
Wagen?“
„Ein roter
Alfa
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