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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Nase nach, vorbei an unhübschen Grundstücken mit dunklen Gebäuden.

    Zwar sahen
beide kaum die Hand vor Augen. Aber daß die Gegend häßlich war, wußten sie von
gelegentlichem Durchfahren am hellichten Tage.
    Toms
Karate-Pratze umschloß Lockes schmale Hand. Nach 200 Schritten wechselte sie
auf seine linke Seite, damit er ihre rechte Hand wärmen konnte. Sie hatte ein
Strickmützchen aufgesetzt, keinen Helm heute Nacht. Tom trug seinen blonden
Wuschelkopf auch in Frostzeiten ,ohne’.
    „Man hört
nichts vom Schlachtgetöse“, meinte er.
    „Wahrscheinlich
ist überhaupt nichts. Dann gehen wir ins Schimmelhaus und fragen die Illegalen,
was sie sich dabei denken, wenn sie mit ihren Dumping-(Schleuderpreis) Löhnen
unseren Sozialstaat aushöhlen.“
    „Pst!“ Tom
blieb stehen.
    „Hast du was
gehört?“ hauchte sie.
    „Nein. Aber
das ist es ja. Diese Stille ist unnatürlich.“
    „Spinner.
Du, der schwarze Klotz dort hinten — das muß das Schimmelhaus sein. Das letzte
Gebäude rechts, hat Mustafa gesagt.“
    Hinter drei
Fenstern glomm Licht. Aber das konnten allenfalls 40-Watt-Lampen sein, und wer
dabei las — türkisch oder deutsch — verdarb sich mit Sicherheit die Augen.
    Tom
schnüffelte.
    „Benzin!“
    „Wie bitte?“
    „Es riecht
nach Treibstoff, Schatzi.“
    „Vielleicht
ist hier eine... nein, hier ist keine Tankstelle. Es sei denn, seit gestern.“
    Sein Finger
berührte ihre Lippen, was in diesem Fall bedeutete: Nicht so laut! Deine
Glockenstimme ist auch im Nebel zu hören.
    „Hier ist Brachland“,
wisperte er, „dahinter liegen Felder. Wir schlagen uns in die Büsche und
umrunden das Schimmelhaus. Dieser Kraftstoffduft gefällt mir nicht.“
    Sie
verließen die Straße, liefen über gerölligen Boden, über herbstfahle
Grasnarben, vorbei an dornigen Sträuchern, an Schotterbergen und verfallenen
Schuppen.
    Tom sah auch
im Dunkeln halb so gut wie eine Katze, verfügte er doch über ein grünes Auge.
Mit dem blauen sehe er bei Tag besser, bis zu fernen Horizonten, behauptete er
bisweilen — und meinte das ernst.
    Der
Benzingeruch wurde stärker.

7. Das Schimmelhaus brennt
     
    Es war keine
Einbildung. Gefahr kroch auf sie zu. Locke spürte es mit ihrer feinnervigen
Seele, während ihre Herzkirschenaugen in die Dunkelheit starrten, bis sie
brannten. Schatten bewegten sich. Dunkle Flecke lösten sich auf und
verschmolzen mit andern. Die Finsternis narrte sie. Spukhaft war alles. Und auf
der Rückseite des Schimmelhauses, dem sie sich jetzt näherten, brannte kein
Licht.
    Daß Tom bei
ihr war, gab Vertrauen. Außerdem: Die Gefahr, die vor ihnen lauerte, war für
andere bestimmt. Andere würden sich aneinander reiben. Freilich — wer zwischen die
Mühlsteine geriet, auch als Außenstehender, dem wurde der Daumen zerquetscht
oder das Brustbein.
    Noch 50
Schritte bis zur Schimmelhaus-Rückfront.
    Sie
flüsterten nicht mehr, schlichen mit leichtem Schritt, horchten und spähten.
    Jetzt roch
es nicht mehr nach Benzin — es stank danach, als wäre ein Tankwagen
ausgelaufen: eine Horror-Vorstellung angesichts der Wahnsinnspreise für
Normal-, Super- und Diesel-Kraftstoff.
    „Tschipitischip!“
— „Quiquiqui!“ — „Rhrrhrrhahaha!“
    So drang es
durch Lockes Knistermähne zu den Ohren. Aber zweifellos — es waren menschliche
Stimmen, die da zischelten, mit dem Atem auf Sparflamme und schlechtem
Gewissen.
    Toms Schritt
stockte. Auch Locke blieb stehen.
    Das Flüstern
wiederholte sich nicht.
    Wer war da
hinterm Haus? Illegale? Honolds Wächter, die auf ihre menschliche Beute
aufpaßten? Oder Korac und Konsorten, um — wie vermutet — Knies ( Streit )
anzuleiern?
    Tom legte
seinen Mund an ihr Ohr.
    „Bleib hier!
Ich sehe nach.“
    „Ich komme
mit“, hauchte sie zurück.
    Zu einer
Entscheidung darüber kam es nicht mehr.
    Etwa 20
Meter vor ihnen — so nahe waren sie der Rückfront inzwischen — flammte ein
Zündholz auf.
    Für einen
Moment beleuchtete es ein stumpfes Gesicht mit niedriger Stirn und
tiefliegenden Augen — ein Bully-Gesicht, in dem Fleischwülste hüpften. Dann
bückte sich der vierschrötige Kerl und legte das Zündholz, das er mit hohler
Hand abschirmte, auf den Boden.
    Eine Flamme
schoß hoch — bis auf Kniehohe, während er zurücktrat: eine Flamme mit
bläulichen Spitzen, die in Sekundenschnelle weiterraste, fast lautlos —
jedenfalls nur mit geringem Zischen.
    Sie schoß
vorwärts, fraß sich über die schmale Spur aus Benzin — bis zum Haus. Im
nächsten

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