Flammen um Mitternacht
Romeo mit dem Kennzeichen...“
Sie wußte es
noch und sagte die Folge der Zahlen und Buchstaben auf.
Weber
steckte das Foto in die Brieftasche zurück.
„Du hast die
Stelle genau beschrieben, an der meine Frau die Flasche zerschlug und die
Scherben verscharrte. Sie wurden inzwischen gefunden und untersucht.“
Er deckte
eine Hand über die Augen. Für einen Moment schien es, er verliere die Fassung.
Aber dann biß er die Zähne zusammen, und die Kaumuskeln traten wie Beulen
hervor.
„Es ist ein
Mordanschlag“, sagte er. „Auf mich.“
Er erzählte,
was Experten ( Fachleute ) der Kripo festgestellt hatten. Die Geschichte
war ungeheuerlich — und phantastisch zugleich. Weber erklärte Einzelheiten —
und wie der Mord offensichtlich geplant sei. Er reihte Tatsachen aneinander und
setzte die Puzzle-Stücke zu einem schaurigen Bild zusammen, zu einem Steckbrief
menschlicher Niedertracht.
Locke
fröstelte. Sogar Tom war blaß um die Nase, Gunter sichtbar erschüttert.
„...leider
genügt deine Aussage nicht, Nina“, beendete Weber seinen Vortrag, „sie reicht
nicht als Beweis. Aussage stünde gegen Aussage. Du bist erst 14. Das Gericht
billigt Jugendlichen übersteigerte Phantasie zu, und mitten in der Nacht sind
viele Katzen grau, und wie leicht täuscht man sich in der Dunkelheit.“
„Ich
wünschte, ich hätte mich getäuscht“, sagte Locke. „Aber ich weiß, daß meine
Beobachtung stimmt.“
Weber
seufzte wie ein Greis, der seine letzten Tage zählt. „Natürlich! Für mich gibt
es keinen Zweifel. Und jetzt muß ich den dornigen Pfad bis zum Ende gehen. Das
bedeutet: ich brauche den felsenfesten, unumstößlichen Beweis.“
Er lachte
auf voller Bitterkeit, ehe er fortfuhr: „Aber den kriege ich nur, wenn ich mich
umbringen lasse.“
Schweigen
breitete sich aus.
Die drei
fühlten mit diesem Mann, der jetzt so einsam war wie sonst niemand auf der
Welt.
Lockes
Gedanken fuhren Karussell. Der Schreck über das Gehörte schien ihre Phantasie
zu befeuern. Wie ein Film lief vor ihren Augen ab, was da geplant war. Und so
sah sie auch die Möglichkeit, die Mörderin zu entlarven.
„Ich wüßte,
wie man den Beweis erbringen könnte“, sagte sie leise. „Vorausgesetzt, ich
beurteile das menschliche Verhalten richtig. Und ferner vorausgesetzt, ein Dritter
spielt mit. Das, Papi, könntest du übernehmen.“
Weber,
Gunter und Tom hörten ihr zu.
Sie bemerkte
die fassungslosen Blicke.
„Und du bist
wirklich erst 14, Nina?“ fragte Weber, als sie fertig war.
„Fast 15“,
erwiderte sie ernst.
Zu einem
Lächeln bestand kein Anlaß.
*
Es ging auf
halb zehn. Eine neblige Herbstnacht drückte sich an die Scheiben, und Locke war
allein in dem hübschen Haus, das die drei Rehms bewohnten — war
mutterseelenallein, sieht man ab von Helena, ihrer weißen Maus, genannt Mausi.
Mike — der
Abiturient, Fußballspieler aus Leidenschaft und Liebling der Mädchen — war
unterwegs. Bei der Vielzahl seiner Freundinnen blieb ihm nichts anderes übrig.
Gunter und
Helga saßen in irgendeiner Weinstube, um sich von der Mühsal des Tages zu
entspannen.
Tom war in
seinem Karate-Club gewesen, zum Training, jetzt aber sicherlich zu Hause, um im
Bett noch zu lesen. Bei spannenden Büchern vergaß er gern die Zeit, und es kam
nicht selten vor, daß er erst lange nach Mitternacht die Nachttischlampe
ausknipste.
Locke las
heute nicht. Sie machte Yoga-Übungen und mußte immer wieder an Staatsanwalt
Weber denken.
Ihr
Geistesblitz hatte ihn überzeugt. Und Gunter war zum Mitmachen bereit. Man
hatte sich abgesprochen. Einzelheiten standen fest. Aber jetzt hieß es warten.
Denn es war nicht an ihnen, den Termin zu bestimmen: den Zeitpunkt des
Mordanschlags.
Gerade als
Locke sich zur Kobra-Stellung hochbäumte, klingelte das Telefon.
Wird für
Mike oder Papi sein, dachte sie und griff zum Hörer.
„Nina Rehm.“
„Hier ist
Mustafa Göksun“, sagte der junge Türke.
Er dämpfte
die Stimme, als befürchte der Lauscher.
„Hallo,
Mustafa! Lange nicht voneinander gehört“, scherzte sie.
„Entschuldige,
Nina, daß ich so spät anrufe, aber...“
„Ja?“
„Ich habe
noch etwas, das vielleicht deinen Vater interessiert. Es betrifft Korac und
Honold. Eben war ein Landsmann bei mir. Und hat mir vertraulich erzählt, daß
Korac und Honold sich bekämpfen. Bandenkrieg, wenn man so sagen kann, ist
ausgebrochen.“
„Aha. Und
weshalb?“
„Honold hat
Korac 50 Illegale weggeschnappt, die der über die
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