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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Schnaps — und verließen dann den
Balkan-Grill, um ihre Netze in der nächsten Kneipe auszuwerfen.
    Zwei der
Türken, junge Männer, sonderten sich ab von den andern, balancierten ihre
Kaffeetassen und suchten Plätze am Tisch, aber inzwischen war alles besetzt.
    Gunter
winkte ihnen, denn hier waren noch Stühle frei.
    Unsicher
näherten sich die beiden.
    „Stören wir
auch nicht?“ fragte der Größere in akzentfreiem Deutsch.
    „Keineswegs,
meinte Gunter. „Bitte, nehmen Sie Platz.“
    Sie hatten
ihre Tassen schnell gelehrt. Die Serviererin brachte die Portionen für
Gunter, Locke und Tom, räumte die leeren Tassen der Türken ab und erkundigte
sich anzüglich, ob’s noch was sein dürfe.

    Die beiden
hatten kein Geld in der Tasche. Das spürte man. Und ihr Zögern war ihnen
sicherlich peinlich.
    Gunter
sagte: „Ich darf Sie einladen, meine Herren.“ Und, zur Serviererin: „Noch
zweimal das gleiche.“
    Als das
Mädchen außer Hörweite war, bedankten sich die Türken.
    „Keine
Ursache.“ Gunter lächelte. „Ich tue’s gern. Aber es ist nicht ganz selbstlos
von mir, denn ich möchte Sie was fragen. Doch zunächst: Mein Name ist Gunter
Rehm. Ich bin vom Tagblatt.“
    Das kannten
beide, und sie bekamen glänzende Augen. Der Größere hieß Kemal Cermik, der
andere Ismet Hilvan.
    „Wie ich
eben beobachten konnte“, sagte Gunter, „haben Sie sich von Mollai und Luka
anwerben lassen. Stimmt doch?“
    Sie nickten.
    „Zu
illegaler Arbeit für Korac, nicht wahr?“
    Die beiden
sahen sich an, senkten den Blick und schwiegen.
    „Sie können
unbesorgt sein“, versicherte Gunter. „Ihre Namen habe ich schon vergessen. Es
geht auch gar nicht um diesen Einzelfall — vielmehr darum, daß Sie und Ihre
Landsleute von Menschenhändlern wie Korac und Konsorten aufs Gemeinste
ausgebeutet werden.“
    „Wir
wünschten, es wäre anders“, sagte Cermik. „Aber Korac und Honold sind mächtig.
Wir können nicht aufbegehren. Wir müssen nehmen, was wir bekommen, müssen
schuften für unwürdigen Lohn. Alle hassen die Menschenhändler und ihre Kapos.
Aber niemand würde gegen sie aussagen. Es könnte das Leben kosten. Bitte,
verstehen Sie das. Und bitte, verschweigen Sie unsere Namen, wenn Sie über den
grauen Arbeitsmarkt schreiben.“
    Gunter
nickte. „Ich sagte es schon, Sie haben nichts zu befürchten.“
    Die beiden
tranken ihren Kaffee, bedankten sich abermals und hatten’s dann eilig. Doch
Locke hielt Cermik zurück.
    „Kennen Sie
Mustafa Göksun?“
    „Ja, sehr
gut sogar.“
    „Dann wissen
Sie, wo er wohnt?“
    „Ganz in der
Nähe.“
    Cermik
nannte die Straße und beschrieb das Haus, dessen Nummer er nicht wußte.
    Als sie
gegangen waren, blinzelte Gunter seinem Töchterchen zu.
    „Ich
vermute, du willst mir auf diese Weise zu einem Informanten verhelfen, meinst,
vielleicht geht was über diesen Mustafa. Gute Idee! Als Laufbursche bei
Heidenreich sitzt er sozusagen an der Quelle. Und Demütigungen wie Schläge
festigen die Treue zum Arbeitgeber bestimmt nicht.“
    „Genau das
dachte ich“, nickte Locke.

6. Anschlag auf den
Staatsanwalt
     
    Sie ließen
den Wagen, wo er war, und liefen. Dämmerung senkte sich aus den Wolken. In der
Stadt gingen die Lichter an; und die Abgase verdichteten sich, denn der Verkehr
nahm zu.
    Sie folgten
einer schmalen Straße zwischen tristen Häuserzeilen. Es gab keine Geschäfte,
aber einen Spielsalon, vor dem Jugendliche sich horteten. Etliche trugen
Lederjacken und hatten schwere Maschinen. Wenn sie starteten, wackelten die
Fensterscheiben.
    Mustafa
wohnte in einem schmalbrüstigen Fachwerkhaus, dem einzigen mit frischem
Gelbanstrich, weshalb es auch zu finden war.
    Ein
zahnloser Greis, der am Eingang stand, begriff Gunters Frage und hob den
Daumen.
    „Dritter
Stock.“
    „Wissen Sie,
ob er zu Hause ist?“
    „Ist eben
gekommen. Hat aber Besuch von... einem Mädchen.“
    Sie stiegen
trotzdem die Treppe hinauf, ausgelatschte Stufen, die aber sauber waren — wie
auch die Wände.
    Im Haus war
es still. Die Mehrzahl der Bewohner hatte noch nicht heimgefunden.
    Als sie die
letzte Treppe erklommen, wurde im dritten Stock eine Tür aufgerissen.
    „...gehen
Sie! Bitte! Ich habe Sie nicht hergebeten, nicht eingeladen. Ich verstehe
nicht, was Sie von mir wollen.“
    Locke und
Tom erkannten Mustafas Stimme sofort. Ihre Geste verdeutlichte Gunter: Das ist
er.
    „Du
Türkenlouis!“ keifte eine Frau. „Was bildest du dir ein? Denkst du, ich renne
dir nach? Kannst froh sein,

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