Flammen um Mitternacht
daß ich mich überhaupt um dich kümmere. Aber damit
ist es jetzt aus, du Pimock! Bild dir bloß nicht zuviel ein! Aber du wirst dich
noch wundern. Du kannst was erleben.“
„Ich will
nichts weiter, als daß Sie mich in Ruhe lassen. Verstehen Sie doch! Ich habe in
der Türkei eine Braut. Und eines Tages werde ich sie herholen.“
„Das wird
eine Schreckschraube sein“, geiferte die Frau.
Dann
dröhnten Damenstiefel auf den Stufen. Mustafas Verehrerin kam die Treppe herab.
Locke hielt
sich eine Hand vor den Mund, um ihr Lachen zu verstecken. Tom grinste. Gunter
wich dem anstürmenden Weibsteufel aus, einer sehenswerten Erscheinung: etwa 19,
groß, mit roten Locken und porzellanblauen Dummchen-Augen. Das Gesicht war
jetzt eine puterrote Grimasse der Wut. Sie hatte sich sehr bunt angezogen, und
ein violetter Strickschal schleifte hinter ihr her.
Sie rauschte
vorbei, als gäbe es die drei nicht, stolperte weiter unten und stieß
Verwünschungen aus.
„Sowas
gibt’s auch“, sagte Gunter leise. „Das ist die Form der Gleichberechtigung, mit
der ich mich nicht anfreunden kann.“
An Mustafas
Tür hing sein Namensschild. Locke klopfte, und der junge Türke öffnete. Sein
Gesicht zeigte einen leidenden Ausdruck, hellte sich aber schlagartig auf.
„Oh! Wie
schön, euch zu sehen. Ihr habt mich gefunden?“
Sein Blick
fiel auf Gunter, und Locke, machte die beiden miteinander bekannt.
Mustafa
bewohnte eine Einzimmer-Winzig-Wohnung mit Kochnische und Uralt-Bad, war aber
zufrieden, weil die Miete erschwinglich und er nicht das Schicksal vieler
Landsleute teilen mußte, die von skrupellosen Vermietern wie Batterie-Hühner
auf engstem Raum zusammengepfercht werden. Und das zu Wucherpreisen.
Sein
Abendessen stand auf dem Tisch: Fladenbrot, Schafskäse und grüner Tee.
Gastfreundlich bot er an, was er hatte. Und da nur drei Tassen vorhanden waren,
tranken Locke und Tom aus einer.
Unbekümmert
deutete Locke zum Treppenhaus.
„Wer war
denn die Vielfarben-Henne?“
Mustafa
schüttelte bekümmert den Kopf. „Sie heißt Petra Fiedler. In Harry’s Disko habe
ich neulich mit ihr getanzt. Nur so — weil wir in derselben Gruppe waren.
Seitdem verfolgt sie mich regelrecht. Ich verstehe das nicht. Man hat mir
gesagt, sie sei nicht ganz normal und flippe manchmal aus. Aber mir wird das
zuviel. Vorher wohnte ich im Schimmel-Haus. Da stand sie jeden Abend vor der
Tür. Ich wurde schon gehänselt. Hoffentlich bin ich sie jetzt los.“
„Das sollte
man meinen nach der Abfuhr“, lächelte Gunter — und wechselte das Thema. „Sie
müssen wissen, Mustafa, ich bin Journalist und beschäftige mich unter anderem
mit den kriminellen Auswüchsen auf dem grauen Arbeitsmarkt. Damit meine ich das
Baugewerbe. Menschenhändler vermitteln Illegale: eingeschleuste Ausländer, die
sich nicht dagegen wehren können, daß man sie ausbeutet. Die beiden schlimmsten
Menschenhändler auf der Szene sind Avdi Korac und Werner Honold. Sie beliefern
Otto Heidenreich mit Arbeitssklaven. Heidenreich ist der König unter den
Baulöwen und wird von allen gefürchtet — auch von denen, die ihm auf die Finger
sehen müßten. Ich denke da an bestimmte Leute in der Stadtverwaltung, die auf
beiden Augen blind sind. Aber das nur nebenbei. Das Tagblatt will das Trio
Korac-Honold-Heidenreich entlarven. Aber wir stoßen auf eine Mauer des
Schweigens. Die Arbeitnehmer fürchten Terror. Niemand sagt aus gegen die drei.
Was ich brauche, sind Informationen: hieb- und stichfeste Hinweise, mit der
auch die Polizei was anfangen kann.“
Mustafa
senkte den Kopf.
Für einen
Moment herrschte Schweigen.
Schade!
dachte Locke. Entweder kann er nicht helfen, oder er hat Angst wie alle andern.
„Es war nur
eine Frage“, sagte Gunter. „Nichts für ungut“.
Mustafa hob
den Kopf. „Morgen liefert Avdi Korac meinem Chef etliche Arbeitskolonnen. Alles
Illegale, natürlich. Es ist ihr erster Arbeitstag. Sie werden an der
Großbaustelle Feldkirchner Straße eingesetzt. Ich hörte das zufällig, als
Heidenreich mit Korac telefonierte.“
Gunter
steckte die Hand aus.
„Danke,
Mustafa.“
Der junge
Türke lächelte und schlug ein. „Was werden Sie jetzt tun?“
„Die Polizei
verständigen. Wenn ein sicherer Hinweis vorliegt, kann sie zugreifen. Und das
ist ein sicherer Hinweis.“
Mustafa
nickte. „Es muß sein. Es schadet zwar auch meinen Landsleuten. Aber nur, weil
sie sich nicht wehren, weil sie sich ausbeuten lassen. Blutsauger wie
Heidenreich verdienen
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