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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Moment wurde aus der Rückfront eine Flammenwand. Sie brauste, zischte
und knisterte. Von Tiefrot bis Knallgelb waren alle Farben enthalten. Die Nacht
wurde zum Tag, das Schimmelhaus zum Inferno (Hölle). Und sofort griff
das Feuer um die Hausecken herum und überdeckte auch die Schmalseiten.
    Dort, hier
und vermutlich auch vorn — alles war mit Benzin übergossen. Auch der Schimmel
würde brennen.
    Drei Männer
genossen das Schauspiel, standen mit dem Rücken zu Locke und Tom, starrten in
die Flammen, wandten sich jetzt wie auf Kommando ab und tauchten in die Zone
zwischen Feuerschein und Dunkelheit. Dann rannten sie noch schneller, und die
Nacht verschluckte sie.
    „Das... das
waren Mollai und Luka“, stammelte Locke. „Den... dritten kenne ich nicht.
Aber...“
    „...vermutlich
Korac persönlich“, rief Tom. „Aber die lassen wir laufen. Das hat Zeit bis
später. Hilfe wird hier gebraucht. O Gott! Da sind doch Menschen drin.“
    Feuerwände
umschlossen das Haus.
    Lockes Herz
klopfte bis in die Kehle, als sie nach vorn zum Eingang rannten.
    Alles
brannte. Jetzt ertönten Schreie im Haus. Krachend splitterten Scheiben.
    Tom packte
einen klammfeuchten Kartoffelsack, über den er stolperte, schlug damit Flammen
aus, bahnte sich einen Weg zum Eingang und stieß die Tür auf, die
unverschlossen war.
    Er sah sich
drei, vier Türken gegenüber, auf deren Gesichtern Entsetzen stand. Sie waren
nur notdürftig bekleidet und ohne Schuhe. Einer hielt seine Hose in der Hand,
ein anderer das ganze Bündel seiner Habe.
    „Das Haus
brennt“, schrie Tom. „Raus! Bringt euch in Sicherheit, solange noch Zeit dazu
ist.“

    Offenbar
verstanden sie ihn. An ihm vorbei drängten sie sich ins Freie.
    Plötzlich
wimmelte es wie in einem Bienenhaus. Aus den wenigen Räumen quollen die
Illegalen, quetschten sich durch schmale Türen, kegelten die Treppe herunter,
jammerten in ihrer Muttersprache, schleppten, was ihnen gehörte, und wußten
nicht, wie ihnen geschah.
    Tom wurde an
die Wand gedrückt. Er sah zu den Fenstern. Die Scheiben waren geborsten.
Flammen züngelten herein, leckten
über feuchte Wände, fanden Brennbares: Feldbetten, dreistöckig mit
Strohmatratzen und Decken, Tische, das Holz der Fensterläden und Türrahmen.
    Qualm füllte
das Haus. Was brannte, stank scheußlich. Und immer noch drängten Illegale von
oben herab.
    Wo kamen die
her? Waren das tatsächlich 50? 50 Menschen in diesem Häuschen? Oder liefen die
ums Haus und kletterten wieder rein durch die Fenster? Natürlich nicht!
Verrückte Idee! Außerdem nicht machbar. Das Feuer hätte sie geröstet.
    Aber Tom
konnte es nicht fassen, daß so viele Menschen auf so wenig Raum Platz haben
sollten.
    Sie waren in
Panik. Sie behinderten sich gegenseitig. Er versuchte, Ruhe zu vermitteln. Aber
Qualm nahm die Sicht. Krächzend husteten einige. Und die Hitze nahm zu. Das
Schimmelhaus wurde zum Backofen.
    „Hier
entlang!“
    Tom riß
einen älteren Türken zurück, der sich kopflos benahm, den Ausgang nicht fand
und in den Parterre-Raum links rannte, wo das Feuer den Kunststoffboden erobert
hatte.
    Der Mann
schrie auf. Er war barfuß. Seine Hose fing Feuer. Mit dem Kartoffelsack stürzte
Tom sich auf den Unterschenkel des Türken. Die Flamme wurde erstickt. Aber der
Hose konnte nichts mehr helfen, auch Kunststopfen nicht.
    Tom schob
ihn ins Freie.
    War das der
letzte?
    Tom blickte
in die drei Parterre-Zimmer.
    Niemand.
    Er wollte
die Treppe hinauf. Aber das ging nicht mehr. Die obere Hälfte der Stufen
brannte bereits. Schwarzer Qualm wälzte sich die schmale Stiege herab.
    „Hallo?“
rief er. „Ist da oben noch wer?“
    Nur
unheilvolles Prasseln antwortete.
    Er wandte
sich zum Ausgang.
    „Tom!“ hörte
er Lockes Stimme voller Entsetzen — und sah auch bereits, was sie schreckte.
    Der Rückweg
war abgeschnitten. Zwischen den Türbalken des Eingangs hatten die Flammen ihre
glühenden Arme verschränkt: zu einer roten, zuckenden, wabernden Wand.
    „Toom!“ Ihre
Stimme schrillte. „Komm raus! Tom, bitte! Der Eingang steht in Flammen.“
    Sie war ganz
nahe, wie er hörte, unmittelbar vor der Haustür. Sie kam doch, um Himmels
willen!, nicht auf die Idee, ihn zu retten?
    War der
Kartoffelsack noch feucht genug?
    Er streifte
ihn über sich. Dann sprang er durch die Lohe wie ein Stuntman (vertritt
Schauspieler in gefährlichen Szenen) beim Film.
    Heiiiiiß!
    Er spürte es
an Knien, Schenkeln und am Hintern. Seine Jeans schmorten an. Blind wie er war
— unter dem

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