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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Stadt.
    Bossert achtete
auf Sirenengeheul, auf Streifenwagen, auf Polizeiuniformen. Auf etwaige
Verfolger achtete er nicht.
    Außerdem
waren Locke und Tom weit zurückgefallen.
    Der Bus fuhr
streckenweise 50 km/h. Lockes Mofa schaffte nur reichlich die Hälfte.
    Und so
geschah es denn, daß die Mofafahrerin mit dem roten Kopftuch gänzlich aus
Bosserts Rückspiegel verschwand.
    Sie duckte
sich jetzt hinter Toms breite Schultern, saß auf dem Rücksitz seines Rollers,
und der konnte — trotz höherer Last — das Schulbustempo mithalten.
    Bossert fuhr
aus der Stadt hinaus und folgte einer einsamen Straße. Sie war voller
Schlaglöcher und brüchig an den Rändern. Sie führte an herbstkahlen Feldern
vorbei, wo jetzt Nebelschwaden umherkrochen, denn die Sonne war verschwunden,
das Licht grau geworden, und aus dem Boden stieg Feuchtigkeit.
    Hinter einem
Wäldchen, das diese Bezeichnung kaum verdiente, zweigte ein Feldweg ab. Er war
steinig. Der Bus rumpelte und wurde geschaukelt.
    Die Kinder
waren beunruhigt. Ein Mädchen hatte Bossert gefragt, wohin er denn fahre.
    Er hatte die
Kleine angebrüllt. Nun waren alle Kinder eingeschüchtert, verängstigt und
still.
    Die
Feldscheune stand in einer Senke. Es war eine große Scheune. Ihr Tor lief auf
Rollen. Ihr Inneres war fast leer, aber unterteilt. Es gab Verschläge, die zu
Zeiten der Feldarbeit bäuerliche Geräte auf nahmen.
    Bossert
lenkte den Schulbus hinein. Er paßte nur knapp durchs Tor. Rechts schrammte er
am Balken, und der Außenspiegel brach ab.
    Düsteres
Licht umgab sie, als der Motor ausgeschaltet wurde. Die Stille war vollkommen.
Die Luft roch nach Heu.
    Bossert
stand auf.
    „Ich gehe
für einen Moment weg, bin aber gleich zurück“, erklärte er. „Jeder bleibt auf
seinem Platz. Das rate ich euch sehr. Seht ihr den Verschlag, wo die Kartoffelsäcke
liegen!“
    Er wies nach
links durch die Seitenfenster, und alle Blicke folgten der Richtung.
    „In dem
Verschlag“, fuhr er fort, „lauert ein wildes Tier, ein böser Wolfshund. Er
gehört mir. Mir tut er nichts. Aber er hat seit drei Tagen nichts gefressen und
würde jeden andern zerreißen. Wenn ihr aussteigt, beißt er euch tot. Also
bleibt hier im Wagen. Ist das klar?“
    Sie hatten
ihn verstanden. Alle hatten ihn verstanden. Entsetzen machte sie sprachlos.
Furcht breitete sich aus. Die Umgebung war ihnen unheimlich — und ein reißender
Wolf die schlimmste Bedrohung.
    Bossert
stieg aus, schloß die Tür, ging zu dem Verschlag, blickte hinter die
Bretterwand auf ein Dutzend verfaulter Steckrüben und befahl laut: „Plaaatz,
Wolf! Du bleibst hier — und bewachst die Kinder. Keins darf aussteigen.“
    Dann verließ
er die Scheune.
    Er schloß
auch das Tor.
    Eilig ging
er zur Straße zurück — dann weiter, nicht zur Stadt, sondern entgegengesetzt:
in Richtung Epsendorf. In zwei Kilometer Entfernung verlief eine
Hauptverkehrsader, die zahlreiche Dörfer untereinander und mit der Stadt
verband.
    Dort, wo die
Straßen sich schnitten, war eine Bushaltestelle. Daneben stand eine
Telefonzelle, die nur selten von Rowdys zerstört wurde.
    Als er
ankam, wartete eine alte Frau auf den Bus, eine Dörflerin mit stabilen Schuhen,
Kopftuch und einem Rucksack, der Grün-, Kraus- und Winterkohl enthielt. Oben
ragten die Blätter heraus.
    Bossert
betrat die Telefonzelle, überzeugte sich, daß er von der Frau nicht beobachtet
wurde, legte sein Taschentuch über die Sprechmuschel und wählte.

    „Polizeipräsidium“,
meldete sich eine Männerstimme.
    „Verbinden
Sie mich mit dem Beamten, der für die Sache Avdi Korac zuständig ist. Ich habe
eine wichtige Mitteilung zu machen.“
    „Das ist
Oberkommissar Brömmel. Augenblick, ich stelle durch.“
    Es knackte
in der Leitung.
    „Brömmel“,
sagte eine heisere Stimme.
    „Hören Sie
genau zu!“ befahl Bossert. „Ich möchte nichts wiederholen. Ich habe den
Schulbus Nr. 28 gekidnappt. 15 Türkenkinder sind in meiner Gewalt. Der Fahrer
befindet sich, falls er noch nicht befreit wurde, auf dem Gelände der
ehemaligen Gießerei Weiding. Dort habe ich ihn eingesperrt. Ich fordere, daß
der Jugoslawe Avdi Korac freigelassen wird. Bis spätestens 18 Uhr. Ein
vollgetankter Wagen ist bereitzustellen. Um 17.55 Uhr werde ich abermals
anrufen, um mitzuteilen, wohin Korac fahren soll. Ich werde dann bekanntgeben,
wo der Schulbus versteckt ist. Zwei Kinder behalte ich als Geisel, einen Jungen
und ein Mädchen. Erst wenn Korac in Sicherheit ist, lasse ich sie

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