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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Wildschweinbraten war köstlich, Mr. Jennings.“
    Das Mr. (Mister
= Herr) war berechtigt, Jennings nämlich Engländer, allerdings schon lange
hier ansässig, nachdem sein Beruf ihn in alle Welt hinausgetrieben hatte.
Mittlerweile sprach er besser deutsch als ein Germanistik-Professor (Germanistik
= Wissenschaft von der deutschen Sprache).
    Jennings
lächelte, bedankte sich und versprach, es dem Küchenchef zu sagen.
    Das Pärchen
verließ die DREI MOHREN. Es war früher Nachmittag. Am Himmel wechselte sonniges
Blau mit betrüblichem Grau. In der Innenstadt verdickte sich der Verkehr wie
Haferbrei, der zu lange kocht. Unfallsirenen heulten. In den Grünanlagen
hockten Leute, die sich langweilten: Arbeitslose und — leider in der Überzahl —
solche, die nicht arbeiten wollten.
    Locke und
Tom rollerten zum Türkenviertel.
     
    *
     
    Bosserts
Motiv ( Beweggrund) war nicht Freundschaft zu Korac. Wenn’s das gewesen
wäre, hätte er nicht mit der kleinen Zehe gewackelt. Nibelungentreue (bedingungslose
Gefolgschaft) — sowas kannte er nicht. Aber Geldeswert — den kannte er. Und
nur über Korac führte der Weg zu großen Summen.
    Das kam so:
Den enormen Verdienst aus ihren schmutzigen Geschäften hatte Korac im Ausland
angelegt, dort auf Konten eingezahlt, auf Bankkonten, die auf seinen Namen
lauteten.
    Und für
Bossert war klar: Wenn ich Avdi befreien kann, teilt er mit mir.
    Für Geld
hätte Bossert alles getan, sogar seine Seele verkauft — was ein Luftgeschäft
gewesen wäre, denn er besaß keine Seele, allenfalls eine schwarze, so wertlos
wie die verkohlten Reste vom Schimmelhaus.
    Deshalb war
er bereit, jetzt aufs Ganze zu gehen.
    Im
Türkenviertel kannte er sich aus wie in seiner zweitbesten Hose.
    Er wußte
genau, was zu tun war. Er wartete an der richtigen Ecke.
    Sie war
verkehrsarm wie die Milchstraße in einer frostklaren Winternacht.
    Das
Hinweisschild an der bröckligen Mauer einer stillgelegten Gießerei verhieß, daß
hier der Schulbus hält. Der Schulbus der Türkenkinder, jener  ,niedlichen
Zwerge’ — wie Locke sie genannt hatte.
    Bossert
tigerte auf und ab. Sein Raubfischgesicht wirkte hart und erstarrt. Wind
richtete den strohigen Kranz seiner eingeölten Blondhaare auf. Eine Strähne
legte sich als Kringel über die Stirnglatze. Er klappte die Schmachtlocke
sorgsam zurück, hinters Ohr, wo ihr Platz war, und auf der Stirn glänzte ein
öliger Streifen.
    Da kam er,
der Schulbus.
    18 kleine
Türken saßen auf ihren Plätzen.
    Der Fahrer
war ein grauhaariger Mann mit mächtigem Schnurrbart. Er hieß Paracin und sah
ziemlich ermattet aus, jedenfalls war auch sein Gesicht immer grau.
    Der Bus
hielt.
    Bosserts
Raubfischblick lief noch einmal in die Runde.
    Nein,
niemand, kein Zeuge.
    Drei
Türkenkinder stiegen aus: ein Junge und zwei Mädchen.
    Sie rannten
in die nächste Gasse, wo irgendwo ihr Zuhause war, und schon kaperte ( eroberte )
Bossert den Bus, indem er durch die Tür und zwei Stufen hinaufsprang.
    Der Fahrer Paracin
blickte verwundert.
    Mit der
linken Hand zog Bossert den linken Teil seiner geöffneten Jacke nach vorn — als
Sichtblende, um die rechte Hand abzuschirmen. Denn die hielt die Pistole, und
die war auf den Fahrer gerichtet.
    Lächelnd, um
die Kleinen nicht zu erschrecken, sagte Bossert: „So, lieber Freund. Jetzt
kommst du rasch mit! Es ist wichtig, dauert aber nicht lange.“
    In seinen
Augen stand eiskalte Drohung.
    Dem Fahrer
Paracin — seit Kindesbeinen an ein furchtsamer Mensch — fuhr der Schreck in
alle Knochen, aber besonders ins Gas- und ins Kupplungsbein, so daß er kaum auf
stehen konnte.
    Bossert
ruckte mit der Waffe.
    Paracin zog
sich am Lenkrad hoch. Der Motor lief noch, die Handbremse war angezogen.
    „Was... was
ist denn?“
    „Komm!“
    Bossert
schob die Pistole in die Lederhalfter unter seiner Achsel und schloß die Jacke.
    Es war nicht
nötig, diesen Wicht ständig zu bedrohen. Der hatte den Ballermann gesehen. Das
genügte.
    Paracin
stieg aus. Bossert war hinter ihm.
    Den Kindern
rief er zu: „Bleibt auf euren Plätzen. Gleich geht’s weiter!“
    Im Freien
faßte er Paracin am Arm und zog ihn zum Tor der ehemaligen Gießerei.
    Die Gebäude
waren leer und verkommen. Gerümpel lag herum. Ein trübseliger Platz, der — weil
die Ratten hier Männchen machten — den Kindern zum Spielen verboten war.
    „Was...
wollen Sie von mir?“ stotterte Paracin.
    „Von dir
nichts. Los, dort rein!“
    Er drängte
ihn in einen kahlen Raum, wo Bauschutt sich

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