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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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bringt man höchstens ein
Ständchen.“
    „Heißt das,
er soll bei uns vor dem Haus um null Uhr in die Saiten greifen?“ erkundigte
Gunter sich erschrocken. „Vorsorglich lege ich Protest ( Einspruch ) ein.“
    „Sowas würde
ich dir auch nicht antun“, meinte Tom gönnerhaft. „Und wenn ich Locke ein
Ständchen bringe, komme ich mit dem Kofferradio.“
    Von dieser
Androhung erfuhr Locke freilich nichts. Sie stand bereits am Telefon, hatte
Frau Kreuder begrüßt, von ihren — Lockes — Leuten Grüße ausgerichtet und nun
Elke an der Strippe.
    Was die
Ereignisse der letzten anderthalb Tage betraf, sagte Locke nur, das könne sie
unmöglich am Telefon erzählen — außerdem werde gleich das Essen serviert —,
aber bald sehe man sich ja, und dann sei Gelegenheit dazu.
    „Ich rufe
jetzt an wegen meines Goldkettchens, Elke. Du weißt, welches ich meine. Das von
Tom.“
    „Natürlich
kenne ich das. Ist es weg?“
    „Seit
Sonntag. Bei euch im Landhaus hatte ich’s noch. Das weiß ich genau. Aber
jetzt... Ich dachte, du hättest es versehentlich eingepackt.“
    „Habe ich
leider nicht. Meinen Kram habe ich ausgepackt und ausgebreitet. Da war nichts
von dir dabei.“
    „Auch nicht
im Kulturbeutel?“
    „Nichts. Den
habe ich sogar links gemacht, weil ich ihn auswaschen mußte. Ich wüßte nicht,
wo bei mir... Nein, unmöglich. Sollte ich’s finden, rufe ich dich an.“
    Niedergeschlagen
kehrte Locke an den Tisch zurück. Der Verlust des Kettchens schmerzte.
Besonders dieses war unersetzlich, denn Tom hatte es ihr geschenkt.
    „Hat sie’s?“
fragte er.
    Sie
schüttelte den Kopf.
    „Fehlt was?“
erkundigte sich Helga.
    Locke
beichtete, sie hätte Toms Kettchen verschlampt.
    „Das habe
ich gesehen“, sagte Helga. „Im Landhaus draußen. Kurz bevor wir abfuhren. Ich
dachte, du würdest es noch an dich nehmen. Es lag im Badezimmer auf der
Fensterbank.“
    Locke legte
sich die flache Hand vor die Stirn — als symbolische Geste für plötzliche
Erinnerung.
    „Richtig,
richtig! Natürlich! So ein Mist.“
    Jennings,
der soeben die Gerichte auftrug, erkundigte sich schelmisch, ob mit dieser
Bemerkung die Speisen gemeint wären.

    „Ich habe
was anderes gemeint“, lachte Locke. „Ob meine Bemerkung gepaßt hätte, wird sich
rausstellen, wenn wir kosten.“
    „Das ist nun
die heutige Jugend“, sagte Gunter zu dem altvertrauten Ganymed (Mundschenk
des Zeus — Kellner). „Vor nichts Respekt. Nicht mal vor der
hervorragenden Küche dieses Hauses.“
    „Auch das
werden die Junioren schätzen lernen, wenn sie erstmal in die Jahre kommen“,
erwiderte Jennings schmunzelnd und blinzelte Locke zu. Sie war sein besonderer
Liebling. Für sie hielt er sogar frische Trinkmilch bereit, obschon die sonst
niemals verlangt wurde.
    „Also in
Kleinbeeren auf der Fensterbank“, stellte Gunter nach den ersten Bissen
Wildschweinbraten fest. „Da liegt sie gut. Und nun?“
    „Wozu habe
ich meinen Mofaroller!“ Locke grub einen Graben in das Erbsenpüree. „Nachher
oder übermorgen fahre ich raus und hole mein Kettchen. Frau Kreuder gibt mir
den Hausschlüssel, und schon ist die Erbse gegessen. Na, da bin ich vielleicht
froh.“
    Sie schob
sich einen Löffel Püree in den Mund.
    Damit war
das Thema erledigt — und die Voraussetzung für neues Unheil geschaffen.
     
    *
     
    Die Zeit der
Elternteile war begrenzt. Nach gemütlichem Mahl zahlte Gunter die Zeche. Er und
Helga brachen auf. Tom zuzzelte noch an seiner Cola. Locke schaute tief in ihr
Milchglas.
    „Weißt du,
Tom, wir sollten zu Mustafa fahren. Alle Informationen stammen von ihm. Was das
Schimmelhaus betrifft. Was die Baustelle betrifft. Offiziell kann man ihm nicht
danken. Das würde ihm die Ohren kosten oder das Leben, auf jeden Fall den Job bei
Heidenreich. Trotzdem, finde ich, sollten wir das nicht einfach auf sich
beruhen lassen. Wir sollten ihm danken und sagen, daß er recht getan hat. Und
daß es nicht den Ruch von Verrat hat.“
    „Gute Idee.“
Er zuzzelte.
    „Schlürf
nicht so laut. Du klingst wie ein Spülklosett. Mein Papi ist auch der Meinung.“
    „Was? Daß
ich wie ein WC...“
    „...daß wir
Mustafa danken müssen. Papi setzt sich ohnehin noch mit ihm in Verbindung.“
    Tom stand
auf. „Worauf wartest du? Daß die Milch sauer wird?“
    Locke leerte
den Rest mit einem Schluck und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
Dann band sie ihr Kopftuch um.
    Jennings
eilte herbei. Sie gab ihm die Hand.
    Tom sagte:
„Der

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