Flammenbraut
gelangt war, um dann später bei den Gleisen auf Theresa zu treffen. Das war nicht möglich … »Haben Sie ihn dort gesehen?«
Jablonski trank auch noch den letzten Tropfen aus seinem Glas. »Wen?«
Theresa erzählte von ihrer Begegnung mit dem Stadtrat.
»Er war nicht in der Menge hinter dem Absperrband, als ich eintraf«, antwortete Jablonski beharrlich. »Ich habe alle befragt, wollte Informationen und Reaktionen sammeln. Wenn er da gewesen wäre, hätte ich ihn interviewt.«
Nein, dachte sie, unmöglich. »Recherchieren Sie nur weiter in diese Richtung, Jablonski, denn mein Chef ist jetzt schon sauer, dass ich Greer in die Quere gekommen bin.«
»Aber es würde Sinn ergeben, nicht wahr? Man hat immer vermutet, der Mörder käme aus einer wohlhabenden Familie, die die Hinweise auf seine Schuld verwischt habe, und diese Politikergestalten sind normalerweise seit Generationen …«
»Man hat auch vermutet, er müsse eine medizinische Ausbildung haben, um seine Opfer zu zerstückeln, und dieser Theorie stimme ich auch nicht uneingeschränkt zu. Die Menschen reden viel. Vor allem wenn es um ungelöste Fälle geht.«
»Aber …«
Plötzlich öffnete sich die Tür zur Garage, und begleitet von einem Schwall frischer Luft trat Rachael ein, die einen Bücherstapel, eine Hello-Kitty-Handtasche, einen Rucksack, eine Flasche Wasser und einen Seesack, der halb so groß war wie sie, über der Schulter hereinschleppte. »Hi, Mom. Wessen Auto …«
»Liebling!«
Harry bellte aufgeregt. Selbst die Katze sprang von Jablonskis Schoß, um Rachael zu begrüßen.
Und dann lag ihre Tochter, die offensichtlich weder ermordet noch vergewaltigt noch vom College geflogen oder nach einem Autounfall im Graben gefunden worden war, endlich in Theresas Armen. »Hat Tonya dich mitgenommen? Hast du Hunger? Hast du was zu Abend gegessen? Wie sind die Kurse? Magst du die Dozenten? Und deine Zimmergenossin, wie ist sie?«
»Du hast Besuch«, sagte Rachael, während sie ihrer Mutter gestattete, ihr das Gepäck abzunehmen. »Feierst du deinen Geburtstag?«
»Hi, Rachael«, begrüßte sie Chris Cavanaugh und warf Jablonski einen triumphierenden Blick zu.
»Hi, Chris.«
Der Seesack fiel auf den Boden. »Nein, wir sprechen gerade über einen Fall. Du kennst ja Chris, und das hier ist Brandon Jablonski, er ist Reporter. Danke für die Informationen, Mr. Jablonski, aber Sie und Chris müssen jetzt gehen.«
Der jüngere Mann bemerkte weder Chris’ selbstzufriedenes Gesicht noch Theresas Aufforderung, er war zu beschäftigt damit, Theresas Tochter mit offenem Mund anzustarren. »Wow.«
»Vor allem Sie sollten gehen«, korrigierte sich Theresa.
39
Samstag, 11. September
Theresa fuhr früh am Samstagmorgen zur Arbeit, um dort die Untersuchung von William Van Horn und seiner blutigen Kleidung abzuschließen und wieder daheim zu sein, bevor Rachael sich aus dem Bett quälte. Ein Monat im College und immer noch ein Teenager – da kein Zwang bestand, würde ihre Tochter erst zur Mittagszeit aufstehen.
Ein ernster Blick und noch ein Lob für seine gute Arbeit in New Castle hatten Jablonski schließlich dazu bewogen, ihr Haus ohne große Widerrede zu verlassen, auch wenn sie danach jede Tür und jedes Fenster sorgfältig verriegelte. Chris Cavanaugh ging allerdings erst nach einem intensiven und köstlichen Kuss in der kalten Garage, sodass sie voller Freude ins Bett kroch, geschmeichelt von seinem beständigen (wenn auch sporadischen) Interesse – triff dich immer mit interessanten Männern –, aber vor allem glücklich, weil ihre Tochter wohlbehalten und aus freien Stücken nach Hause zurückgekehrt war.
Selbst der Geruch nach halb verfaultem Gemüse, der sich seit Langem in jeder Keramikfliese des alten Gebäudes festgesetzt hatte, schien sie wie ein enger Freund zu begrüßen, als sie dem Mann am Empfang zuwinkte und Van Horns zerrissene Hose und das Hemd vom Trockengestell nahm. Sie steckte den Kopf in den Obduktionssaal, wo Christine Johnson ihr mit elender Miene entgegenblickte: »Habe ich dir das zu verdanken?«
»Klar, ich dachte, das würde dir Zeit sparen, wenn ich schon am Tatort mit dem Schneiden anfange.«
Die hübsche Ärztin lachte, meinte dann jedoch ernst: »Nicht lustig, Fräulein. Ich habe gehört, du hast ihn am Tag vorher noch kennengelernt. Stimmt das?«
Theresa bestätigte dies. Es war immer noch ein seltsames Gefühl. Sie hatte das Gefühl, sie müsste Edward Corliss anrufen und ihr Beileid aussprechen, aber sie
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