Flammenbucht
Kreis vor Nhordukaels Macht gewarnt, hatte die Fürsten gedrängt, Thax zu verlassen und sich vor einem Angriff der Weißstirne in Sicherheit zu bringen. Wie recht hatte er behalten! Doch Baniter kostete seinen Triumph nicht aus, er ließ Scorutar gewähren. Nur seine Augen funkelten voller Genugtuung.
Scorutar schritt langsam an den Fürsten vorbei. »Es ist entschieden: Wir müssen uns nach Vara zurückziehen. Das südliche Hochland ist verloren; gegen Nhordukaels Magie kommen wir nicht an.« Seine Stimme wurde weicher. »Doch es gibt auch Hoffnung! Ein neuer Kaiser tritt an unsere Spitze: Uliman Thayrin, der Sohn Akendors, der Enkel Torsunts. In seinem Namen werden wir unsere Kräfte bündeln!«
Er war vor Binhipar Nihirdi stehengeblieben. Der Fürst von Palidon nickte ihm grimmig zu und deutete dann auf die Türen des Bundeshauses. »Hört, Ihr Fürsten, hört die Rufe unserer Krieger! Seit dem Südkrieg hat die Welt kein solches Heer mehr gesehen. Zwölftausend Kämpfer, gerüstet und gestählt. Zwölftausend Schwerter und Lanzen, Bogen und Kriegskeulen. Unsere Feinde werden vor dieser Streitmacht erzittern!« Binhipars Brustkorb hob und senkte sich. »In zwei Tagen werden achttausend Mann nach Arphat aufbrechen und sich den Goldei entgegenwerfen. Dann werden wir sehen, wie stark diese Echsen tatsächlich sind und wie wahr die Gerüchte, die sie umgeben. Der Rest des Heeres wird in Persys bleiben, um Palgura und das nördliche Hochland zu verteidigen, falls Nhordukael es wagen sollte, die angrenzenden Fürstentümer zu bedrohen.« So inbrünstig Binhipars Worte vorgetragen waren, manch einer zweifelte an ihrem Wahrheitsgehalt. Hielt Binhipar nicht vor allem deshalb einen Teil des Heeres zurück, um sich die Wege zu seinem Fürstentum Palidon offenzuhalten, das nun vom restlichen Kaiserreich abgeschnitten war? Altes Mißtrauen erwachte in den Fürsten. Doch heute war nicht der Tag für Streitigkeiten. Selbst Baniter verzichtete auf ein Widerwort. Beinahe hätte Jundala aufgelacht, hinein in die Stille, die Binhipars Worten folgte. Wie lächerlich war diese Sitzung! Dort standen die Fürsten des Thronrats und zelebrierten die Einheit des Silbernen Kreises, die längst vergangen war. Sahen sie es nicht? Spürten sie es nicht? Wenn Jundala ihre Gesichter betrachtete, erkannte sie darin die Zeichen der Zerrüttung. Der Intrigant Scorutar, der sich als Wortführer des Rates aufspielte, wirkte wie eine in die Enge getriebene Schlange, die panisch ihr Gift versprühen würde, wenn sie sich bedroht fühlte. Neben ihm Binhipar Nihirdi, seine Augen erfüllt von grausamer Gewalt; er würde keinen Moment zögern, die im Bundeshaus verteilten Klippenritter auf die Fürsten zu hetzen, falls sie ihm gefährlich werden sollten. Der törichte Hamalov Lomis, mit verkniffener Miene darüber nachsinnend, wie er den Verlust Varonas abwenden konnte. Die übrigen Fürsten verängstigt, verunsichert - und Baniter Geneder, ihr Gemahl, weilte in Gedanken längst in Vara, um dort das Spiel um die Macht fortzusetzen. Der Silberne Kreis… oh, Jundala wollte vor Lachen bersten, wollte ihnen allen voller Hohn ins Gesicht speien; ihre vielbeschworene Einheit war nichts als ein Possenspiel, das in abgründiger Gewalt enden mußte, über dessen Schlußakt sich ein bluttriefender Vorhang senken würde, um alles unter sich zu begraben. Jundala preßte sich die Hände vor den Mund, um nicht vor Abscheu erbrechen zu müssen. Und das Schauspiel ging weiter: Trommelklänge erschallten zwischen den Säulen am Ende des Saals. Hier führte eine Marmortreppe zu einem unterirdischen Gang hinab, der das Bundeshaus mit Vildor Thims Fürstenpalast verband. Eine Gruppe weißgewandeter Männer schritt die Stufen hinauf: der Einzug der Priester des Tathril, an ihrer Spitze Bars Balicor, der Hohepriester, im strahlenden Gewand. Sein Gesicht war zum Fürchten, ausgezehrt von den Ereignissen, die ihn aus Thax vertrieben hatten.
Dann kam Uliman Thayrin die Treppe empor, geleitet von vier Tempelrittern: ein zwölfjähriger, blondgelockter Knabe mit wachen Augen und einer schmalen Nase, die an seinen Vaters Akendor erinnerte. Aufmerksam sah sich Uliman im Bundeshaus um; sah die bunten Glasscheiben, auf denen die Gründer ihren letzten Atemzug aushauchten; sah die Ritter und Priester, die ringsum auf die Knie fielen, sah die Fürsten, die sich ehrfürchtig vor ihm verneigten.
Uliman blieb in der Mitte des Bundeshauses stehen. Auch er trug ein schwarzes Gewand mit
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