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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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bei diesen Worten, doch er verstand, was Nhordukael ihnen mitteilen wollte. Tathril hatte ausgedient; der Glauben, der sie so lange verbunden hatte, sollte der Zuversicht weichen, das eigene Schicksal formen zu können, anstatt sich ihm blind auszuliefern. Nhordukael würde den Kampf der Weißstirne in die Sphäre tragen, während sie für ihn den Brennenden Berg beschützten. So wie sie den Tempel von Thax in Stücke geschlagen hatten, mußten sie auch den Glauben an Tathril zerschlagen und von den Trümmern nur das behalten, was sie einte: ihre Überzeugung, die Welt ändern zu können, nicht durch die Macht eines Gottes, sondern durch die Macht des freien Willens.
    Drun ließ Nhordukaels Hand los. Aus seinem Blick sprach tiefe Bewunderung, die nicht länger von Ergebenheit verklärt war.
    Nhordukael aber schloß die Augen; sein Körper entspannte sich, sein Atem war ruhig, und die ihn umgebenden Flammen verschmolzen zu einem gleichmäßigen Feuer. So erklomm er die Steinmauer, die den Lavasee einfaßte. Breitete die Arme aus. Atmete den Rauch und die Magie der Quelle und ließ sich fallen in die Glut. Er versank in ihr wie ein Stein. Nur eine Garbe emporschlagender Funken verriet die Stelle, an der Nhordukael in den Sphäre eingetaucht war.
    Das Bundeshaus von Persys war seit seiner Errichtung vor vierhundertfünfzig Jahren ein Schauplatz großer Dramen gewesen. Herrliche Komödien hatten sich während der Gründungszeit des Südbundes hier abgespielt: der König von Candacar, dessen Kriegszüge seit Jahren vom Geld der Gründer finanziert worden waren, hatte im Bundeshaus die Stadt Persys beim Würfelspiel an den Kaufmann Thim verloren; und ein gyranischer Gesandter hatte auf einem Bankett des Südbundes einen Kuß des jungen Gründers Suant erbeten und ihm daraufhin das im Silbermeer gelegene Swaaing-Archipel übertragen, das später zum Stützpunkt der sitharischen Flotte werden sollte.
    Doch das Bundeshaus war auch der Schauplatz finsterer Tragödien gewesen: etwa des Saalfestes zu Persys, als die zehn Gründer des Bundes mit Lederschlingen erdrosselt worden waren. An diesen Schreckenstag gemahnten die hohen Fenster des Hauses: auf den Glasscheiben waren die Ermordeten abgebildet, ihre Augen weitaufgerissen, die Hände hilfesuchend emporgestreckt, die dürren Hälse von Blutstropfen umgeben. Die morbiden Bilder waren kurz nach der Gründung des Kaiserreiches entstanden; sie sollten an die ewige Feindschaft zwischen Sithar und den Königreichen des Nordens erinnern. Ihr Pathos trug zu der theatralischen Stimmung bei, die im Inneren des Gebäudes herrschte.
    Es war nicht das erste Mal, daß Jundala Geneder die Sitzungen des Thronrats als Schauspiel empfand. Seit langem kannte sie die Machtspiele der Fürsten; ihr Gemahl Baniter hatte sie stets in seine Ränke eingeweiht, und als er nach Arphat gereist war, hatte sie an seiner Stelle die Intrigen gegen Binhipar Nihirdi und Scorutar Suant gesponnen. Doch sie hatte diesen Machtkampf mehr und mehr als Spektakel erlebt: eine Inszenierung, in der die Fürsten die ihnen zugewiesenen Rollen einnehmen mußten; ein Schauspiel mit Helden und Schurken, tragischen Momenten und dramatischen Wendungen.
    Das Bundeshaus war die ideale Bühne für dieses Schauspiel, weitaus besser geeignet als der düstere Thronsaal zu Thax: ein symbolbehaftetes Bauwerk aus der Zeit der Gründer. Imposant der marmorgetäfelte Rundsaal mit den hohen Fenstern und den mächtigen Säulen, die im Saalboden wurzelten und zur Kuppel emporflohen - ein Ausdruck der Beständigkeit, die der Südbund für sich in Anspruch nahm.
    Die Akteure des Schauspiels: die Fürsten des Reiches, allesamt in schwarzen Kaufmannsgewändern, denn dieses Kostüm gebot der mythische Ort. Hier im Bundeshaus waren sie wieder die zehn Mitglieder des Südbundes, geeint durch den Schwur, den ihre Ahnen geleistet hatten - das Joch fremder Herrschaft abzuschütteln, selbst zu herrschen oder zu vergehen. Freilich war die Besetzung leichten Variationen unterworfen; Stanthimor Imer und Perjan Lomis ließen sich aus fadenscheinigen Gründen vertreten, der aus Thax geflohene Fürst Ascolar Suant war nur deshalb anwesend, weil kein Schiff es gewagt hatte, ihn über das Silbermeer in sein Fürstentum Vodtiva zu bringen; und das bedeutendste Mitglied des Rates harrte noch auf seinen Auftritt - Uliman Thayrin, der neue Fürst von Thax und kommender Kaiser Sithars. Mochte sein Fürstentum auch in Flammen stehen, er war und blieb der

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