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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Klinge ihm den Schädel gespalten. Blut tränkte Alplaudos Priesterkutte; und ohne auch nur einen Schrei oder ein Stöhnen auszustoßen, verendete der Kurator auf den Stufen. Wie gelähmt starrten die Weißstirne auf den Leichnam. Bevor sie begriffen, was geschehen war, riß Uliman ein zweites Mal die Hand empor. Mit einem Sirren zersprangen die Messer und Dolche, Säbel und Schwerter in den Händen der Weißstirne. Metallsplitter spritzten durch die Luft, bohrten sich in die ungeschützten Arme und Beine, Hälse und Gesichter. Panik griff um sich; ziellos rannten die Weißstirne die Treppe hinab, als wollten sie Schutz bei den Klippenrittern suchen; doch diese erwarteten sie mit ihren Speeren und Kriegskeulen. So mischten sich Angst- und Todesschreie und vereinten sich zu einem entsetzlichen Chor, der bis in die unteren Stadtviertel Varas zu hören war.
    Bars Balicor aber hörte das Sterben der Weißstirne nicht. Seine Sinne waren noch immer auf die Sphäre gerichtet, durch die ein anderer Schrei gellte: ein Klagen, so grauenvoll, daß es dem Hohenpriester durch Mark und Bein ging; der Schmerzensruf der Quelle, die unter Ulimans Ritual erbebte; und Balicor spürte, daß sie die Qualen, die der Junge ihr in diesem Moment zufügte, niemals vergessen würde.
    Das Bild, das Baniter sich im Lauf seines Lebens von Norgon Geneder gemacht hatte, war stets voller Widersprüche gewesen. In seiner Erinnerung war der berüchtigte Großvater nicht mehr als ein Schatten: ein Mann mit düsterer Miene, dessen stechende Augen von buschigen Brauen umrahmt gewesen waren, dessen Stimme ihm stets Respekt eingeflößt hatte. Vor allem aber war ihm Norgon Geneder als Verkörperung eines machtbewußten Herrschers erschienen, durchdrungen von Willensstärke, und so hatte Baniter ihn zugleich gefürchtet und bewundert.
    Später, als er erfahren hatte, was zu der Vertreibung der Geneder aus Vara geführt hatte, war seine Furcht dem Entsetzen, seine Bewunderung der Abscheu gewichen. Norgons Versuch, Torsunt Thayrin zu stürzen und die Macht im Kaiserreich an sich zu reißen, hatte in einem Blutbad geendet. Bei der handstreichartigen Besetzung des Kaiserpalastes waren vierzig Menschen ums Leben gekommen, darunter drei Angehörige der kaiserlichen Familie. Norgon hatte sie kaltblütig hinrichten lassen. Der Kaiser selbst war ihm jedoch entkommen, und so war der Umsturz nach sechs Tagen gescheitert, da die Fürsten Torsunt die Treue gehalten hatten. In den letzten Jahren hatte sich Baniters Bild von seinem Großvater ein weiteres Mal gewandelt. Immer wieder hatte er sich gefragt, was Norgon Geneder zu dem Umsturz bewogen hatte, warum er sich der Unterstützung der Fürsten so sicher gewesen war und diese ihn letztlich verraten hatten. Er spürte, daß weit mehr hinter den damaligen Ereignissen steckte als ein Machtkampf des Thronrats; daß sein Großvater nicht aus Herrschsucht zum Verräter geworden war und auch sein Scheitern einen tieferen Grund haben mußte.
    Nun, da er im Archiv der Stadt Vara die Prozeßschriften studierte, die sich mit der ›Feier von Vara‹ befaßten, begann er zu verstehen, wer dieser Norgon Geneder wirklich gewesen war. Der mürrische Archivar - seine Miene hatte sich nur in jenem Moment aufgehellt, als Baniter den Namen der Dame Sinustre erwähnt hatte - war eigens in den Keller des Archivs herabgestiegen, um mehrere Folianten ans Tageslicht zu befördern: eine beeindruckende Menge an Protokollen, Briefen und sonstigen Schriftsätzen. Je mehr sich Baniter in die Aufzeichnungen vertiefte, desto deutlicher trat das Bild seines Großvaters aus der Vergangenheit hervor und schärfte sich vor seinem inneren Auge.
    Er erfuhr, daß Norgon einer der beliebtesten Angehörigen des Thronrats gewesen war - von den Bürgern seines Fürstentums verehrt, von den übrigen Fürsten für seinen scharfen Verstand geachtet. Er hatte sich stets dafür eingesetzt, die Macht des Silbernen Kreises zu erhalten. Dies war unter der Herrschaft des mächtigen Kaisers Torsunt nicht einfach gewesen: Torsunt hatte im Verlauf seiner Regierungszeit die Rechte des Thronrats mehr und mehr beschnitten, und auch die Tathril-Kirche und die Großbürger Varas hatten an Einfluß verloren. In dieser Zeit war Norgon Geneder als großer Gegner des Kaisers aufgetreten; und bis auf Binhipar Nihirdi, den treuesten Freund Torsunts, hatten sich alle Fürsten im Thronrat hinter ihm geschart.
    Im Jahr 324 - ein Jahr vor dem Umsturz - war der Streit eskaliert. Er

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