Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
starrte. Bald würde er ihm gehören, ihm allein; er, der einst ein unbedeutender Priester auf der Insel Morthyl gewesen war und nun das höchste Amt der Tathril-Kirche bekleidete, würde in den Dom einziehen, würde den Kelch des heiligen Lysron in den Händen halten und über das Verlies der Schriften gebieten, eine der mächtigsten Quellen Sithars.
Dann wird es Nhordukael an den Kragen gehen. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem man mir den Kopf dieses Ketzers bringt.
    »Dieser Tempel gefällt mir.« Eine kindliche Stimme riß Bars Balicor aus seinen Gedanken. »Sein Dach glitzert in der Sonne, fast wie das Meer.«
    Seine kaiserliche Hoheit Uliman Thayrin war an die Seite des Hohenpriesters getreten. Der junge Kaiser hatte darauf bestanden, bei der Besetzung des Doms dabei zu sein, trotz der zu erwartenden Gefahren. Zum Schutz trug er eine Lederrüstung und einen Topfhelm, unter dem seine blondgelockten Haare fast vollständig verschwanden.
    »Es ist der bedeutendste Tempel der Kirche«, belehrte Balicor den Knaben, »und doch in der Hand eines Verräters. Alplaudo Carxives, der Kurator von Vara, hat sich auf Nhordukaels Seite gestellt. Wenn wir ihm den Dom nicht abnehmen, wird Vara eines Tages ebenso in Flammen stehen wie die Stadt Eurer Vorväter.« Das Kind sah aufmerksam zum Portal des Doms empor. »In diesem Tempel wurden einst meine Eltern getraut, nicht wahr?«
    Ulimans Worte klangen nachdenklich, und Balicor glaubte, in ihnen eine gewisse Wehmut zu erkennen. »Ja, Majestät. Im Altarraum des Doms nahm Euer Vater Syllana Nejori zur Frau. Sie trug Euch damals bereits unter dem Herzen. Ganz Vara jubelte dem jungen Paar zu.«
    »Außer den Fürsten.« Ulimans Blick verdüsterte sich. »Sie waren dagegen, daß mein Vater eine Frau aus der Unterschicht heiratet. Rumos hat es mir erzählt.«
    Der Hohepriester schwieg verunsichert. In der Tat war der Thronrat damals entsetzt gewesen, als Akendor Thayrin die bereits geplante Vermählung mit der Adeligen Tundia Suant ausgeschlagen und statt dessen Syllana Nejori, die Tochter eines Goldschmieds, geehelicht hatte. Die Fürsten hatten dem jungen Mädchen fortan das Leben schwergemacht, sowohl in Vara als auch in Thax. Bis zu ihrem Tod war die Kaiserin ständigen Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt gewesen, gegen die ihr Gemahl sie nur halbherzig verteidigt hatte. Und dann war es zu jenem verhängnisvollen Jagdausritt gekommen, auf dem Syllana Nejori einem Unfall zum Opfer gefallen war…
    Uliman schien Balicors Gedanken erraten zu haben. »Meine Mutter starb auf einer Waldlichtung, zerrissen von einer Hundemeute, und mein Vater verendete im Kerker von Thax. Eines Tages werde ich Rache für diese beiden Morde nehmen.« Er wies zum Eingang des Tempels. »Rumos hat mir gesagt, daß der Silberne Dom eine bedeutende Quelle birgt.«
    Der Hohepriester nickte eifrig. »Sie wird unserer Kirche große Macht verleihen. Doch dazu muß dieser verräterische Kurator den Dom räumen - und ich fürchte, Alplaudo Carxives wird nicht freiwillig gehen.« Davon wollte Uliman nichts hören. »Ich werde selbst mit ihm sprechen. Er soll vor mich treten und mir in die Augen sehen. Hole ihn herbei.«
    Bars Balicor verzog die Mundwinkel, doch er fügte sich Ulimans Befehl. Über einen der Weißstirne, den die Aufständischen zu ihrem Verhandlungsführer bestimmt hatten, ließ er dem Kurator den kaiserlichen Wunsch überbringen.
    Es verstrich keine halbe Stunde, bis sich das Portal des Doms öffnete und Alplaudo Carxives hervortrat. Die Weißstirne begrüßten den Kurator mit einem Jubeln; bereitwillig machten sie ihm Platz, als er in Begleitung seiner Tempeldiener die Treppe hinabschritt. Auf den mittleren Stufen hielt er inne. Er war ein sechzigjähriger Priester mit einem faltenlosen Gesicht, das durch eine lange Nase und einen Schnurrbart an Konturen gewann. Abfällig blickte er zu Bars Balicor hinab.
    »Sieh einer an!« rief er voller Spott. »Der Hohepriester unserer Kirche! Ich habe gehört, daß Ihr Euren Tempel in Thax verloren habt, Bars Balicor! Ein kleines Feuerchen soll ihn Euch geraubt haben.« Dröhnendes Gelächter schallte aus den Reihen der Weißstirne. »Nun steht Ihr hier in Vara vor dem Silbernen Dom und bittet um Einlaß. Wollt Ihr vor dem Kelch des heiligen Lysron niederknien und Tathril um Vergebung für Eure Sünden anflehen?«
    Der Zorn verzerrte Balicors fleckiges Gesicht, als er dem Priester antwortete. »Euer Frevel reicht weiter, als ich annahm, Kurator! Wie

Weitere Kostenlose Bücher