Flammenbucht
verstehen?«
Aelarian fiel ihr in den Arm. »Seid nicht zu streng mit meinem Freund. Ich habe ihn lange im Unklaren gelassen, warum ich Rumos auf seine Reise ins Silbermeer begleiten wollte.« Er strich Cornbrunn liebevoll über das Haar. »Eines Tages werde ich dir alles erklären. Doch jetzt bleibt keine Zeit dafür. Wir müssen Rumos zu Hilfe eilen.« Parzer bleckte sein makelloses Gebiß. »Dann mal hurtig! Stolling wartet außerhalb der Stadt mit dem Boot auf uns. Wollen wir doch mal sehen, ob wir euren Freund rechtzeitig aus den Wellen klauben können.« Das Silbermeer tobte. Regenschauer stoben über das Wasser hinweg wie wütende Insektenschwärme. Gegen wen richtete sich ihr Zorn? Wer hetzte die See auf, die noch bei Sonnenaufgang so friedlich gewesen war? Sturm um Sturm…das Leuchtfeuer von Fareghi kannte keine Gnade! Es trieb die Wellen zur Raserei; mit wilder Gewalt türmten sie sich, um alles zu verschlingen, was dem Eiland zu nahe kam.
Vier Schiffe kämpften sich durch die aufgewühlte See. Auf drei Segeln prangte der morthylische Krebs, auf dem vierten die troublinische Harfe. Dieses Schiff führte die anderen an; ein rotes Sturmlicht baumelte am höchsten Mast. Am Bug stand Rumos Rokariac. Er krallte sich an der Reling fest; sein graues Haar flatterte im Wind, die Augen waren blutunterlaufen. Soeben hatten die Schiffe die Inseln Tanis und Lorre umrundet. Fareghi war nun ganz nah, und Rumos' Erregung wuchs mit jedem Atemzug.
Ein Flüstern drang zwischen den Lippen des Priesters hervor. »O Rumos, mein Herr… spürst du sie nahen? Goldene Segel und goldene Schwerter… der Schleier fällt, und tosend steigt das Salz in alte Wunden… die Goldei kommen herbei, geführt von einer Macht, die mich erzittern läßt… fast sehn ich mich nach jenem Felsengrund zurück, den du mir einst zum Kerker machtest… kehr um, mein Herr Rumos, wende dein Schiff, o Rumos, mein Herr!«
Der Priester bäumte sich auf; ein Schrei löste sich aus seiner Kehle, verlor sich im Sturm. »Schweig, Carputon! Du hast mir geholfen, das Geheimnis des Turms zu ergründen; doch nun mußt du verstummen, endlich VERSTUMMEN!«
Er verlor den Halt, drohte auf den wasserumspülten Bohlen auszugleiten, doch eine starke Hand packte seine Schulter. »Mit wem redet Ihr, Rumos?« Es war Ashnada; sie stand hinter ihm, ihr Gesicht war kalkweiß. »Waren es Eure inneren Stimmen, die Euch befahlen, in diesem Sturm aufs Meer zu fahren?«
»Davon verstehst du nichts, Weib!« Rumos stieß sie von sich, suchte die Gestalt des Kapitäns. Coron Narac stand am Steuerrad, starrte gebannt auf den Lichtstahl, der dicht vor dem Schiff auf den Wellenspitzen tanzte. An seinem Arm glänzte ein silberner Turmbinder.
»Zeigt keine Schwäche, Coron!« rief der Priester ihm zu. »Laßt Euch von dem Licht nicht narren! Bald haben wir Fareghi erreicht!«
Eine mächtige Welle rollte heran, krachte voller Wucht gegen den Schiffsleib. Das Schiff legte sich auf die Seite. Panische Schreie der Mannschaft! Kapitän Coron reckte blitzartig den Arm in die Höhe; oberhalb des Turmbinders hing seine Haut in Fetzen. Ein Ächzen ging durch den hölzernen Rumpf; dann richtete sich das Schiff wieder auf.
»Bleibt stark!« jubelte Rumos. »Laßt den Turm nicht aus den Augen!«
»Seht, Rumos!« Ashnada packte den Priester am Arm. »Die Karacken der Morthyler…«
Rumos starrte auf die Schiffe, die ihnen folgten. Das Meer warf sie umher wie Treibgut. Vor ihnen zerrissen plötzlich die Wellen, ein Abgrund tat sich mitten im Wasser auf. Formlose Schwärze… eine der Karacken trudelte auf den Schlund zu, stürzte mit dem Bug voran in die Tiefe. Sogleich schloß sich der Wellenriß wie ein hungriges Maul, verschlang das riesige Segelschiff.
»Ihr Narren!« brüllte Rumos. »Warnte ich Euch nicht vor der Macht des Leuchtturms? Befahl ich Euch nicht, Eure Sinne allein auf ihn zu richten, Euch nicht von seinem Licht täuschen zu lassen?« Er preßte die Faust an die Stirn. »Du bist schuld, Carputon! Deinetwegen habe ich jene, die an mich glaubten, in den Untergang geführt! Deine Schwäche hat meinen Geist ausgezehrt, mich krank gemacht… oh, du Elender… dein Schatten bin ich und dein Joch… wirst mich nicht los, bleibe für immer bei dir… wirst mich kein zweites Mal aus deinem Herzen verbannen…«
»Kommt zur Besinnung, Rumos!« Ashnadas Stimme überschlug sich vor Furcht. »Habt Ihr es nicht gesehen? Es war das Schiff des Fürsten, das in den Wellen versank! Der
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