Flammenbucht
Tränen. Längst hatte er aufgehört, um Gnade zu flehen; rang nur noch nach Atem und erwartete die kommenden Schläge.
»Laßt ihn los!«
Der Befehl kam unerwartet. Die Hände, die seinen Nacken und seine Schultern gepackt hatten, lockerten sich. Der Geschundene rollte sich auf die Seite, versuchte aufzublicken, doch sogleich rann ihm Blut in die Augen. Schritte näherten sich. Über ihm ein Schatten; eine Gestalt beugte sich zu ihm herab.
»Sieh mich an!« befahl eine strenge Stimme. »Erkennst du mich?«
Der Gefangene blinzelte mehrmals. Vor ihm stand ein älterer Mann, das Gesicht geprägt von markanten Falten, die Augen drohend wie die eines Falken. Ein weißer Backenbart verbarg die mageren Wangen. Er trug ein edles Wams; an den Fingern glänzten mehrere Ringe »Perjan… Ihr seid Fürst Perjan«, preßte der Gefangene hervor.
Der Mann über ihm nickte. »Ja, ich bin Perjan Lomis, der Fürst von Morthyl, dein Herrscher! Und du bist mein Untertan und schuldest mir Rechenschaft für deinen Verrat.« Er sprach mit Bedacht, seine Worte waren sorgfältig gewählt. »Meine Männer haben dich lange verhört, doch noch immer habe ich nicht erfahren, was ich wissen will.«
»Aber ich habe doch alles erzählt«, wimmerte der Gefangene. »Vergebt mir, mein Fürst.. .ich habe alles gesagt!« Perjan Lomis verzog keine Miene. »Uns ist bekannt, daß du von den Kathygern angeworben wurdest. Du solltest für Eidrom von Crusco Waffen und Nahrungsmittel aus den fürstlichen Kontoren entwenden. Für diese Tat erhieltest du eine Summe von vierzig Goldstücken.«
Verzweifelt zerrte der Gefangene an seinen Fesseln. »Ich bereue es, mein Fürst! Ich war töricht und nahm das Geld. Die Männer, die mich anwarben, waren Zunftleute wie ich, doch ich hatte sie nie zuvor gesehen, das schwöre ich; aber ich kann sie Euch beschreiben…«
Einer der umstehenden Wächter versetzte ihm einen Tritt in den Nacken. Sein Kopf schlug erneut auf die Steinplatte. »Das ist es nicht, was Fürst Perjan von dir wissen will! Deine Mitverschwörer wurden längst gefaßt. Deine Lügen sind zwecklos.«
»Ich werde dich nun ein letztes Mal fragen«, sagte Perjan Lomis ruhig. Er beugte sich noch tiefer zu dem Gefangenen herab. »Auf welchem Schiff solltest du die gestohlenen Waren nach Fareghi bringen? Wer sollte es steuern?«
Der Mann krümmte sich in seiner Blutlache. »Ich weiß es nicht, mein Fürst. Ich sollte das Schiff nur aus dem Hafen lenken. Dann sollte ein anderer es übernehmen, ein Mann mit einem Turmbinder.«
»Wer?« Die Stimme des Fürsten war unerbittlich. »Ich möchte Namen wissen!« Er packte den Gefangenen am blutgetränkten Kragen seines Gewandes.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte der Gefangene. »Sie haben es mir nicht gesagt.«
Fürst Perjan schwieg. Keine Regung verzerrte sein Gesicht, doch der Griff seiner Hand wurde fester; er zerrte an dem Kragen des Gefangenen, bis dieser riß und der Gefangene röchelnd zu Boden glitt.
»Bringt ihn weg«, befahl er barsch. »Werft ihn in den tiefsten Kerker der Burg. Weg, weg mit ihm!« Die Wächter schleiften den Gefesselten fort. Wütend wandte sich Perjan Lomis seinen Beratern zu, die dem Verhör beigewohnt hatten. »Es sieht so aus, als ob er die Wahrheit sagt. Sein Geständnis deckt sich mit den Aussagen der zwei anderen Verdächtigen. Jeder von ihnen war nur in einen Teil des Plans eingeweiht, und sie warben sich gegenseitig an, ohne einander zu kennen. Ich möchte wissen, wer dahintersteckt!« »Das wird schwer zu ermitteln sein, mein Fürst«, meinte einer der Berater. »Die Hafenzunft ist durchsetzt von Schmugglern, die sich nur allzu bereitwillig bestechen lassen. Selbst wenn wir jeden einzelnen Zunftmann befragten, träfen wir doch nur auf eine Mauer des Schweigens.«
Perjan Lomis starrte auf den blutigen Fetzen in seiner Hand. In dem Stoff schimmerte das zerrissene Ende einer gelben Kordel. »Wir hätten schon vor Jahren gegen diese Zustände vorgehen müssen. Der Hafen ist der verwundbarste Punkt der Stadt, ja, des gesamten Fürstentums!«
»Wir werden die Kontrollen im Hafen verstärken«, versprach ein zweiter Berater. »Immerhin hat der Meister der Zunft Euch versprochen, die Verräter in den kommenden Wochen aufzuspüren.«
»Das hoffe ich für ihn, denn wenn diese Schmuggeleien nicht aufhören, wird die Zunft bluten!« Perjan Lomis wandte sich zum Fenster des großen Ratssaales, der im höchsten Stockwerk der Burg Galbar lag. Durch die Glasscheibe war das
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