Flammenbucht
Speichergebäuden erhob sich das Giebeldach eines klobigen Gebäudes - der Sitz der Hafenzunft. Hier wollte Ashnada mit ihrer Suche beginnen. Wenn es auf Morthyl Verräter gab, die mit Eidrom von Crusco zusammenarbeiteten, hatten zweifellos die Zunftleute ihre Finger mit im Spiel. Vielleicht konnte Ashnada ein Gerücht aufschnappen oder einen Zunftmann bestechen, um ihm die Zunge zu lösen. Allerdings hatte ihr Rumos eingeschärft, kein Aufsehen zu erregen.
Sie näherte sich dem Zunftgebäude im Schutz der länger werdenden Schatten. Hölzerne Stege verbanden es mit dem Speicherviertel, doch auf halber Strecke war eine Eisenkette gespannt; acht Zunftmänner hielten Wache. Fieberhaft überlegte Ashnada, wie sie an ihnen vorbeikommen konnte.
Schließlich fiel ihr Blick auf das Gebälk unterhalb der Stege. Die Pfosten standen eng beisammen. In ihrem Kopf reifte ein Plan.
Sie wartete die Dunkelheit ab. Dann zog sie den Umhang aus, versteckte ihn zwischen den Salzfässern eines Schuppens und huschte zum Rand des Stegs. Behutsam schwang sie sich zu dem Gebälk herab. Die Pfosten waren glitschig; sie hatte Mühe, an den Querbalken Halt zu finden. Unter ihr plätscherte das Wasser, dessen fauliger Geruch ihr in die Nase stieg. Vorsichtig hangelte sich Ashnada unter den Stegen voran. Bald hatte sie die Stelle erreicht, wo die Zunftleute Wache hielten; hörte das Poltern ihrer Stiefel und gedämpfte Stimmen. »…mir ist nicht wohl bei der Sache«, sagte einer von ihnen. »Habt ihr seine Hände gesehen? Sie waren entzündet, übersät von weißen Bläschen. Sah gar nicht gut aus. Aber es schien ihm wenig auszumachen, er begrüßte den Zunftmeister mit einem Handschlag und forderte ihn später zum Schaukampf mit dem Schwert auf. Hat nicht übel gekämpft, der Bursche!«
»Sein Schwert war eigenartig«, sagte ein zweiter, »eine seltsame Klinge. Es sah beinahe aus, als wäre sie einst verwendet worden, um…«
Er senkte die Stimme, so daß Ashnada den Rest des Satzes nicht verstehen konnte. Nur noch einzelne Fetzen des Gesprächs drangen zu ihr herab, »…sollten uns auf jeden Fall vorsehen… der Fürst hat die Wachen am Hafen verstärken lassen…ich will mit der ganzen Sache nichts zu tun haben…wäre auch sehr leichtsinnig, nachdem schon drei Zunftleute verhaftet wurden…«
Ashnada lauschte noch eine Weile, doch als die Stimmen immer unverständlicher wurden, kletterte sie weiter in Richtung des Zunfthauses. Das Gespräch der Männer hatte ihre Neugier geweckt. Bald hatte sie die Außenmauer des im Wasser errichteten Gebäudes erreicht. Vom Steg hallten Schritte zu ihr herab; ein weiterer Wachtposten. Sie suchte Halt zwischen den kalten Mauersteinen. Vorsichtig kletterte sie an der feuchten Wand empor, versuchte zur untersten Fensterfront zu gelangen. Kein Lichtschein war zu sehen. Sie zog sich an der Fensterbank hoch; das Fenster stand offen, das Zimmer lag im Halbdunkel, keine Menschenseele war zu erblicken. Behutsam schwang sich Ashnada in den Raum; es handelte sich um eine Schreibstube; ein Pult, ein Regal mit Schriftrollen, an den Wänden zerschlissene Seekarten. Sie öffnete die Tür am Ende des Zimmers; dahinter lag ein mit Öllampen erhellter Flur. Gemälde schmückten die Mauern, Abbildungen bedeutender Zunftmeister.
Ashnada verharrte unschlüssig. Es war gefährlich, im Gebäude umherzuschleichen; sie war lediglich mit einem Messer bewaffnet, hatte das Schwert in der Taverne zurückgelassen. Doch die Neugier überwog alle Vorsicht. Sie stahl sich zur nächsten Ecke vor. Ein zweiter Gang, der in den Kern des Gebäudes führte. Teppiche federten ihre Schritte ab. Mächtige Türen zu beiden Seiten; auf ihnen prangte das Zunftwappen, eingefaßt von gelben Kordeln.
Der Klang einer Männerstimme ließ sie zusammenzucken. »Da seid Ihr ja endlich! Ich habe auf Euch gewartet!« Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, daß die Anrede nicht ihr gegolten hatte. Die Stimme - auffallend weich und tief - war hinter einer der Türen erklungen. Oberhalb des Zunftwappens war ein vergittertes Guckfenster in das Holz eingelassen. Vorsichtig schlich sich Ashnada näher, spähte durch das handtellergroße Loch.
»Beinahe dachte ich schon, Ihr hättet es Euch anders überlegt, Zunftmeister«, fuhr die wohlklingende Stimme fort. »Doch ich wußte, Ihr seid ein Mann voller Wagemut.«
»Nicht zu vorschnell«, erwiderte eine zweite, schnarrende Stimme, offenbar die des Zunftmeisters. »Ich habe Euch freies Geleit
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