Flammenbucht
zugesichert, aber das soll nicht bedeuten, daß ich auf Eurer Seite stehe!«
Die weiche Stimme lachte auf. »Freies Geleit - schön und gut, aber ich weiß wohl, wie wenig Euch dieses Versprechen daran hindern würde, mich an den Fürsten auszuliefern, wenn Ihr Euch einen Vorteil davon erhofftet. Doch zum Glück seid Ihr Euch darüber im klaren, was für Euch auf dem Spiel steht. Allein das Wissen um unsere heutige Begegnung würde Perjan Lomis genügen, um Euch einen Kopf kürzer zu machen.«
Im Zimmer war nichts zu erkennen, der Ausschnitt des Guckfensters war zu klein. Doch die Geräusche - ein leises Räuspern, das Trappeln von Stiefeln auf dem Steinboden -verrieten, daß sich mehrere Personen im Raum aufhielten. Aufmerksam lauschte Ashnada.
»Wie dem auch sei, Zunftmeister - Ihr solltet wissen, daß ich das Zunftwesen schon immer bewundert habe: diesen Mut der einfachen Bürger, sich zusammenzuschließen und gegenüber den Fürsten und Königen die eigenen Anliegen zu vertreten. So zeigen sie den Herrschenden ihre Grenzen auf, und manchmal, wenn sie ihren Einfluß geschickt zu mehren wissen, geht die Herrschaft sogar auf sie über. Hat nicht auch der Südbund sein Wirken als Vereinigung einiger Kaufleute begonnen? Oder der troublinische Gildenrat - auch er war ein Zusammenschluß einfacher Händler und Handwerker, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nahmen. Oder denkt an die Bürgerschaften der kathygischen Städte, die sich während des Südkriegs von Candacar lossagten und einen eigenen König wählten.« Ashnada hörte Schritte; der Sprecher schien während seiner Rede umherzuschlendern. »Ich habe schon immer die Meinung vertreten, daß jene herrschen sollten, die dazu befähigt sind - sei es durch Tüchtigkeit, sei es durch die Gunst der Umstände. Warum sollte nicht auch Eure Zunft jene Bedeutung erlangen, die ihr zusteht? Hier im Hafen von Galbar Are laufen seit jeher die Fäden zusammen, die den Handel des Silbermeeres verbinden. Doch von dem hübschen Zollgeld, das auf die umgeschlagenen Waren erhoben wird, erhält die Zunft nur einen Bruchteil; den Rest streichen Fürst und Thronrat ein.« »Wir werden gerecht bezahlt«, widersprach der Zunftmeister. »Unter den Gyranern waren wir nichts als Sklaven; seit Morthyl dem Kaiserreich angehört, arbeiten wir für unsere eigenen Taschen.« »Doch diese könnten praller gefüllt sein! Wenn eure Zunft selbst über Morthyl herrschte, könnte sie das gesamte Zollgeld einbehalten und verdiente darüber hinaus am Silberhandel mit. Es wäre nur gerecht - denn was wäre Morthyl ohne den Hafen und ohne die Zunft?«
Der Zunftmeister zögerte. »Seit Fareghis Fall bröckelt unser Geschäft…«
»Wenn Morthyl ein Bündnis mit uns einginge, wäre der Hafen schnell wieder Anlaufpunkt sämtlicher Schiffe«, fuhr der Fremde fort. »Jeder Kauffahrer müßte Morthyl ansteuern, und der Turm spendete sein Licht nur jenen Schiffen, die den Hafenzoll beglichen. Die Zunft könnte gar über sich hinauswachsen, könnte sämtliche Häfen von Gharax überwachen und dort im Namen des Königs von Fareghi sichere Passagen über das Silbermeer aushandeln.« Nun konnte Ashnada einen Blick auf den Sprecher erhaschen, denn er schritt an der Tür vorbei. Er hatte den Kopf von ihr abgewandt, so daß sie nur sein volles, graues Haar sehen konnte. Er trug ein Wams aus dunklem Samt und hatte eine lange Schwertscheide geschultert. Seine Hände hielt er gefaltet, doch Ashnada erkannte auf den Handrücken einige merkwürdige weiße Bläschen. »Ihr wäret ein vorzüglicher Bündnispartner für uns, Zunftmeister«, sagte er mit weicher Stimme. »Ich wäre nicht an Euch herangetreten, wenn ich nicht an die Stärke Eurer Zunft glaubte.«
»Aber ich bin an das Wort gebunden, das ich Fürst Perjan gab. Ich versprach ihm, den Schmuggel nach Fareghi zu unterbinden. Warum sollte ich ihn verraten?«
Der Fremde blieb stehen. Ashnada sah, wie er sich die entzündeten Hände rieb. »Weil Ihr daran zweifelt, daß er Fareghi zurückerobern kann - und weil Ihr wißt, daß die Hafenzunft bald bettelarm sein wird, wenn das Licht des Leuchtturms weiterhin erloschen bleibt. Deshalb habt Ihr mich heute hier empfangen und mir freies Geleit zugesichert. Nun liegt es an Euch - wählt Ihr für Eure Zunft das Absinken in die Bedeutungslosigkeit, oder wollt Ihr zu jenen gehören, die eine neue Zeit mitgestalten? Eines Tages werden die Goldei auch Morthyls Küste erreichen. Dann wird es eine Schlacht geben, Sieger
Weitere Kostenlose Bücher