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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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jedem Gerücht narren. Dämliche Bande! Zu dumm zum Grätenzählen.« Er raufte sich den Ziegenbart. »Das kommt von der miesen Stadtluft, sag ich euch; in der verödet jedes Hirn.«
    »Also, ich finde die Luft in Galbar Are recht angenehm«, widersprach Cornbrunn, »kühl und frisch, vielleicht ein bißchen zu windig. Aber das kommt sicher von der Lage am Kalkfelsen.«
    Davon wollte Parzer nichts hören. »Äch ne, Galbar Are und sein Kalkfelsen - die alte Leier. Ein Barde hat mal über die Stadt geschrieben, sie sei aus dem Felsen geboren worden. Ich aber sage: der Felsen hat sie ausgeschissen, und so stinkt's auch in den Gassen.«
    Dies blieb zunächst unwidersprochen, denn ein Scheppern setzte ein: Die Klappe des Schenkers hatte sich geöffnet - oh, gesegneter Augenblick! Freundliches Licht strömte aus der angrenzenden Küche und erhellte die Gesichter und Herzen der versammelten Schar.
    Kurz darauf erschien Stollings mürrisches Gesicht im Türchen. »Hier, ihr nimmersatten Bastarde«, fauchte er und schob ein Tablett durch den Schenker, auf dem einige Tonschälchen aneinander klickerten. »Meine Frau habt ihr ohnehin aus dem Schlaf getrieben mit eurem Geschrei.«
    »Dann schick sie runter und laß sie mitsaufen!« empfahl Parzer und riß das Tablett an sich. Es verschwand sogleich unter einem Gewusel gieriger Hände, die nach den Tonschälchen griffen. Der alte Schnappes brachte das Kunststück fertig, gleich mehrere Schälchen aus dem Wirrwarr herauszuklauben. Zwei davon streckte er Aelarian und Cornbrunn entgegen.
    »Hier, Jungens, darf ich vorstellen: die größte Köstlichkeit der
Roten Kordell«
Er leckte sich die spröden Lippen. »Zwei Rasche, gebrannt aus der prallen Ähre des Strandhafers, die andernorts nicht mal als Tierfutter taugt. In Rhagis hingegen wird sie zum tollsten Gesöff veredelt, das es auf dieser Welt gibt.« Er setzte sein Schälchen an den Mund. »Und jetzt rasch hinunter damit, in einem Sturz, sonst verdunstet das Beste!«
    Beherzt leerten die beiden Troublinier ihre Schälchen -und mußten tief Luft holen, denn der Schnaps brannte in ihren Kehlen, als hätten sie eine Handvoll Glasscherben verschluckt. Doch dann breitete sich in Mund und Magen warmes Wohlbefinden aus, und auf der Zunge kribbelte ein salzig-süßer Geschmack. »Nicht schlecht!« lobte Cornbrunn mit belegter Stimme. »Ich habe schon manchen Schnaps im Leben getrunken, aber der hier ist wirklich köstlich!«
    Es war den Fischern anzumerken, wie stolz diese Worte sie machten. »Ein feiner Trank, nicht wahr?« rief Ungeld. »Unser Brenner, der flinke Hynerc, versetzt ihn mit Seetang, der dem Raschen erst die rechte Würze verleiht.«
    Aelarian betrachtete den Rest in seiner Schale mit plötzlichem Schaudern. »Er mischt Seetang in dieses Zeug?« Ungeld zuckte mit den Schultern. »Nun ja, an der Südküste nehmen sie Fischöl, und im Westen gibt es einen Brenner, der seinen Sud mit Algen verfeinert, die er in einem Bottich anfaulen läßt. Schmeckt gar nicht mal übel - aber nicht zu vergleichen mit unserem Raschen!« Er blickte sich suchend in der Spelunke um. »Fragt den flinken Hynerc am besten selbst! Er wird euch bestätigen, daß er den Raschen mit der allergrößten Sorgfalt… Hynerc?«
    »Nun laß ihn doch schlafen«, tönte eine Stimme aus der Schar.
    In diesem Moment knallte der alte Schnappes sein Tonschälchen auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. »Das tat wohl! Aber wo waren wir stehengeblieben? Richtig - bei Galbar Are, dieser Pestbeule am Nordzipfel Morthyls. Bevor die Gyraner mit ihren Schiffen kamen, war es ein dreckiges Fischerdorf, um keinen Deut besser als andere Siedlungen - weder schöner noch erhabener noch in irgendeiner Weise sehenswert. Aber dann erbauten die Gyraner ihren Hafen, und plötzlich glaubte ein jeder, es sei notwendig, nach Galbar Are überzusiedeln; manche, um hier das Geschäft ihres Lebens zu machen, andere, um der vermeintlichen Enge des Heimatdorfes zu entkommen. Die Mutigsten, Klügsten, Schönsten und Tüchtigsten strömten nach Galbar Are; die Stadt sog sie an wie ein Meeresstrudel - und veränderte sie für immer. Denn in einer Stadt muß das Wohl des einzelnen hinter dem Wohle aller zurücktreten; wer sich hervortut, stört die verwickelten Abläufe, die das Überleben der großen Gemeinschaft sichern. Deshalb verwandelt die Stadt die Besten in die Gewöhnlichsten, denn die Gewöhnlichsten sind in der Stadt die Besten.«
    »Äch ne!« grunzte

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