Flammende Sehnsucht
können. Ich bin, mein lieber Bruder, ein Luxus.«
»Aber du brauchst doch kein Geld.«
»Geld kann man immer brauchen«, meinte sie hochmütig. Cassie wollte ihrem älteren Bruder einfach nicht eingestehen, dass sie fest entschlossen war, das verdiente Geld für eine gute Sache zu spenden. Sie hatte sich nur noch nicht entschieden, wofür, war jedoch überzeugt, dass sich das alles finden würde.
»Außerdem hilft es mir, meine Zeit nutzbringend zu verbringen und ...«
»Das mag sein, wie es will, ich billige es nicht.« Er presste die Lippen aufeinander. »Und es gefällt mir nicht.«
»Das muss es auch nicht, denn mir gefällt es.« Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln und registrierte befriedigt, dass seine Entschlossenheit nachließ, wenn auch nur minimal. »Also, Leo, sollen wir uns jetzt über dein Leben unterhalten? Deine Heiratsaussichten? Deine Geschäfte?«
»Geschäft würde ich das nicht unbedingt nennen«, druckste er unbehaglich herum. »Das ist eher ein ...«
Ein Ruf ertönte, und aller Augen richteten sich auf die Straßenkehre und die dort auftauchenden Reiter: Christian auf seinem Lieblingsbraunen, Berkley auf einer rotbraunen Stute, beides edle Tiere. Das rhythmische Geräusch der wohlbeschlagenen Hufe und die Anfeuerungsrufe der Menge schwollen beim Näherkommen immer mehr an. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, und die Männer pressten sich so eng an ihre Reittiere, dass die Zuschauer Mann und Pferd kaum unterscheiden konnten. Offenbar waren die Reiter einander so ebenbürtig wie die Pferde.
Christian ritt auf der gegenüberliegenden Straßenseite, und sogar aus der Entfernung sah Cassie seiner Körperhaltung und den zusammengezogenen Brauen die Anstrengung an.
»Meine Güte, er verliert.« Leo klang fast ehrfürchtig. Was nicht überraschend war. Soweit Cassie sich erinnern konnte, hatte Christian noch nie bei etwas verloren.
»Warum sagst du das? Sie scheinen doch gleichauf zu liegen.«
Leo kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Sie haben immer noch an die hundert Yards vor sich, und Christian ist erschöpft. Das sehe ich von hier aus. Während Berkley ...«
»Berkley wirkt gelassener, nicht wahr?«
»Ich fürchte es.«
Aufmerksam studierte sie den anderen Mann. Der Unterschied zwischen Berkley und Christian offenbarte sich nur dem genauen Blick, doch seine Lordschaft wirkte in der Tat eine Spur unangestrengter, entspannter, als sei seine Ausdauer noch nicht ausgeschöpft, während die Christians bereits ernsthaft geschwächt war. Während sie noch zusah, schob sich Berkley fast unmerklich nach vorn.
Die Männer donnerten über die Ziellinie, Berkley eine gute halbe Pferdelänge vor Christian. Die Menge brach in Jubelrufe und mitfühlendes Stöhnen aus. Die Hälfte der Versammlung eilte den Hang hinunter, um den Sieger in Empfang zu nehmen und den Besiegten zu trösten; die andere Hälfte spazierte zu den mit Leintüchern gedeckten Tafeln, dem spätvormittäglichen Bankett, das inzwischen unbemerkt aufgebaut worden war.
Cassie und Leo steuerten auf die Reiter zu. Christian glitt von seinem Pferd; seine Miene spiegelte eine Mischung aus Bedauern, Ärger und sympathischem Gleichmut wider. Für einen, der an Siege gewöhnt war, schien er instinktiv zu wissen, wie man mit Würde verliert. Cassie verdrängte das aufkommende Schuldgefühl - schließlich hatte sie gegen ihren Bruder gewettet - und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf den Herrn, der ihr eben zu einer Vermehrung ihrer Ersparnisse verholfen hatte.
Umgeben von freudiger Stimmung und Sympathie saß Berkley noch immer auf seiner Rotbraunen. Jemand hatte ihm einen Humpen gereicht, den er mit einem einzigen langen Zug leerte und dann im Überschwang des Sieges lachte. Vielleicht auch des Lebens. Es war ein verblüffend ansteckendes Lachen, und sie ertappte sich dabei, dass sie unwillkürlich zurücklächelte.
»Berkley ist auch noch unbeweibt«, meinte Leo müßig. »Und meines Wissens ist er dem Heiraten nicht abgeneigt.«
»Nach dem, was ich von Berkley gehört habe, ist er nicht besser als Lord Warren oder du.« Sie schüttelte energisch ihren Kopf. »Ich habe keine Lust, einen Lebemann zu bekehren, Leo.«
Für sie bestand kein Zweifel, dass der Mann tatsächlich ein Weiberheld war. Nicht nur wegen der Gerüchte und Klatschgeschichten, sondern mehr noch wegen der Art, wie er sich hielt, dem selbstgewissen Gebaren, mit dem er zu Pferde saß, seinem Gesichtsausdruck.
Berkley überflog die Menge und hielt
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