Flammende Versuchung
Kinder!«
Sophie löste ihre hysterische Umklammerung und tätschelte dann beruhigend ihre Hand. »Ich habe gehört, dass Patricia gehört hat, dass Meggie gehört hat, wie der Arzt es Calder gesagt hat.« Sie nahm ein Tuch von der Kommode und strich den Fieberschweiß von Deirdres Stirn. »Aber weißt du, Ärzte können sich genauso irren wie alle anderen auch.« Sie schnaubte. »Oder noch mehr.«
Deirdre blinzelte. Sie wagte nicht, so schnell wieder Hoffnung zu fassen. »Würde er das nicht wissen, wenn ich geschädigt wäre? Meinst du, er könnte sich vertun?«
»Warum nicht?« Sophie zuckte die Schultern. »Ich
habe noch nie viel von Ärzten gehalten. Die Kräutertees, die unsere Köchin bereitete, kamen mir genauso hilfreich vor wie alles, was die Ärzte meiner … Mutter gegeben haben. Sie hatten sie jahrelang behandelt, und es hat ihr überhaupt nicht geholfen. Weder die Egel noch die Arznei, wenn ich es so recht bedenke. Und doch habe ich Feldarbeiter gesehen, die sich von den schrecklichsten Verletzungen erholt haben, dabei haben sie nichts außer Breiumschlägen und Tees bekommen.« Sie tauchte das Tuch wieder in das nach Lavendel duftende Wasser. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand in die Zukunft blicken kann. Wer kann schon sagen, was möglich ist und was nicht?«
Deirdre lehnte sich zurück in ihre Kissen. Ihre Gedanken kreisten um diese eine Aussage.
Warum nicht?
Dann wandte sie den Kopf ab. »Wo ist Calder?«
Sophie antwortete nicht. Als Deirdre sich umdrehte, um sie anzuschauen, wandte das Mädchen den Blick ab. »Lord Brookhaven hat viele Verpflichtungen.«
Nun, das war kaum eine Überraschung … und doch war sie überrascht. Erforderte ihr Krankenbett nicht seine Anwesenheit oder zumindest einen kurzen Besuch?
Offenbar nicht.
Sophie trat von einem Bein aufs andere. »Deirdre, vielleicht sollte ich es dir sagen. Calder ist -«
Deirdre hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Ich will nicht über ihn reden.«
Kopfschüttelnd versuchte es Sophie noch einmal: »Deirdre -«
»Es ist mein voller Ernst. Sprich nicht über ihn.«
Seufzend gestand Sophie sich ihre Niederlage ein. »Du bist müde. Möchtest du, dass ich gehe?«
Deirdre spürte die überwältigende Macht eines dunklen, alles vergessen machenden Schlafes und schloss die Augen. »Bleib«, murmelte sie. Dann zwang sie sich, noch einmal die Augen zu öffnen und Sophie fest anzusehen. »Sag ihm nicht, dass ich nach ihm gefragt habe.« Sie umklammerte ihre Hand. »Versprich es mir.«
Sophie schüttelte den Kopf. »Versprochen.«
Gerade als Deirdre nachgab und die Dunkelheit über ihr hereinbrach, hätte sie schwören können, dass Sophie noch ein letztes Wort murmelte.
»Dummkopf.«
Als Calder von der Tortur zurückkehrte, als die sich die Beerdigung des armen Baskin herausgestellt hatte, erwartete Fortescue ihn in der Einganghalle mit einem trockenen Gehrock und einem Handtuch.
»Ich nahm an, Ihr würdet Euch nicht die Zeit nehmen wollen, Euch umzuziehen, bevor Ihr zu ihrer Ladyschaft geht, Mylord.«
Calder drückte sein nasses Gesicht in das Handtuch und atmete rasselnd aus.
»War es sehr schlimm, Mylord?«
Schlimm. Es war entsetzlich gewesen. Die ganze Welt war da gewesen, um die Tragödie in drei Akten zu sehen, das Leben und Sterben eines dummen, aus dem Gleichgewicht geratenen, verliebten Jungen. Baskin selbst hatte die Kugel abgefeuert, die ihn das Leben gekostet hatte,
aber Calder wusste, dass die Geschichte, die in der ganzen Stadt erzählt wurde, mindestens drei Versionen kannte, in denen er den Abzug gedrückt hatte, ein paar, nach denen Deirdre es getan hatte, und einige wenige machten die Runde, die Meggie für seine Mörderin hielten. Neben der blassen und steif trauernden Familie zu stehen und die forschenden Blicke und das Getuschel zu ertragen, während der Sarg des armen Kerls herabgelassen wurde …
»Es war kein guter Tag, Fortescue.« Er trocknete sich mit dem Handtuch das tropfende Haar. »Warum regnet es bei Beerdigungen eigentlich immer?« Es hatte geregnet, als er seinen Vater und seine Mutter beerdigt hatte, und auch bei Melinda, wenn er sich recht erinnerte.
Eine Frau beerdigt, eine Verlobte geflohen, eine Frau fast getötet. Die einzige Konstante in seinem Leben. Er schüttelte den Kopf.
»Ich bin untalentiert für die Ehe.«
Fortescue hob eine Augenbraue. »Ganz im Gegenteil, Mylord. Ihr habt Eure Bräute sehr achtsam und gewissenhaft ausgewählt, wenn auch aus den falschen
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