Flammende Versuchung
einmal.
»Ich habe jeden Abend nach dem Essen eine Stunde zur Verfügung.« Vielmehr hatte es ihn einen ganzen Nachmittag gekostet, um seinen strikten Zeitplan umzuorganisieren. »Ihre Ladyschaft hat keine Verpflichtungen – bis auf Weiteres. Wir werden hier arbeiten.«
Sie richtete ihren scharfsinnigen Blick auf ihn. »Hier, Sir? Am Abend? Allein?«
»Hast du erwartet, dass Ihre Ladyschaft dich zur Schule schickt?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Ich schätze jedoch dein Zögern, Patricia. Es zeigt, dass du ein anständiges Mädchen bist. Aber ich bin schließlich alt genug, um dein Vater sein zu können…«
»Ein bisschen älter sogar, Sir. Mein Pa ist noch keine vierzig Jahre alt.«
Ihr verdammter Pa musste tatsächlich ein Frühstarter gewesen sein. Nun, daran konnte er sich immer erinnern, nicht wahr, wenn er zu sehr daran dachte, wie sich
die Kurven ihrer Taille unter dem anständigen schwarzen Gabardinekleid abzeichneten, wenn sie sich bewegte. »Dann gibt es also nichts, weshalb du dich sorgen müsstest, oder?«
Sie starrte ihn noch immer nachdenklich an, wobei sich eine steile Falte zwischen ihren rotbraunen Brauen bildete.
»Was ist?« Er hatte nicht beabsichtigt, in einem derart scharfen Ton mit ihr zu sprechen, aber sie zuckte nicht mit der Wimper. Sie hatte Rückgrat.
»Es tut mir leid, Sir. Ich möchte Mylady nicht enttäuschen, aber ich glaube nicht, dass ich das schaffe. Es ist nicht recht, dass Ihr so viel Zeit für mich aufwendet, wenn ich doch wahrscheinlich kaum etwas lernen werde. Ich bin nun mal ein Landei.«
»Patricia, ich arbeite bereits seit vielen Jahren in den Häusern der guten Gesellschaft. Wenn du schwörst, mich niemals zu zitieren, dann will ich dir verraten, dass schon viele Kinder, die viel dümmer waren als du, zu lesen und zu rechnen gelernt haben und uns jetzt alle zusammen mit ihrer Idiotie ins Elend stürzen.«
Sie versuchte die Lippen fest aufeinanderzupressen, aber das Lächeln gewann. »Ja, Sir. Ich verstehe.« Sie atmete tief ein und nickte. »Also gut, Sir. Wenn Ihr das glaubt, dann werde ich es schaffen.«
»Sehr gut. Wir wollen heute Abend anfangen, gleich nachdem die Familie zu Abend gegessen hat.«
Sie knickste vor ihm und ging mit glühenden Wangen und glänzenden Augen.
Ein cleveres Kind. Nein, mehr als clever. Mutig. Sie
hatte das Herz einer Löwin, von ihrer winzigen irischen Scholle in eine so unbekannte Welt wie London zu gehen und zu versuchen, etwas Besseres aus sich zu machen.
»Du wirst es schaffen, Patricia«, flüsterte er in dem leeren Zimmer, und sein Tonfall war ein Streicheln. »Du wirst es schaffen.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
A ls die Gäste die Eingangstreppe von Brook House hinabgingen, bestieg die Cousine, Miss Blake, mit diesem Lord Cavendish, der irgendwie auch mit der Hausherrin verwandt war, die hauseigene Kutsche und fuhr davon, wobei sie die drei jungen Herren allein zurückließen, die sich auf den Nachhauseweg begaben.
Vom Torbogen ein Stückchen die Straße hinunter, von wo aus Wolfe das Haus beobachtete, konnte er deutlich sehen, wie zwei von ihnen, der grell gekleidete Dandy und der, der zu viel lachte, davongingen, wobei ihre Gesichter schon wieder einen gelangweilten Ausdruck annahmen.
Nur einer konnte sich nicht trennen. Der Kerl sah traurig aus – er hatte einen verlorenen Ausdruck in den Augen. Er war die Sorte Mann, die künstlerische Inspiration im Alkohol und Opium suchte, sie aber nie zu finden schien.
Der Mann schaute sehnsuchtsvoll zurück auf Brook House, länger, als es sich für einen Freund geziemte. Wolfe lächelte. Dieser hier wäre wie geschaffen. Er sah gut aus auf melancholische Art, und seine Liebe war rein – das stand ihm ins Gesicht geschrieben, diesem pathetischen Schwachkopf.
Wolfe hatte eine Weile gebraucht, um nüchtern genug zu sein, um diesen bestimmten Plan auszuhecken.
Schließlich hatte die Hochzeit bereits stattgefunden. Der Trick bestand nun einfach darin, das Ganze zu beenden, bevor der alte Herzog von Brookmoore seinen letzten Atemzug machte. Eine Annullierung könnte die Antwort sein, wenn der Marquis sich dazu hinreißen ließe. Aber wie? Eine Frau musste einen solchen Mann schier zu Tode blamieren …
Geflohene Ehefrau. Geflohene Verlobte. Und jetzt vielleicht noch eine geflohene Braut …
»Tja.« Wolfe grunzte heiser. »Wie sagt man so schön: Aller guten Dinge sind drei.«
Schließlich drehte sich der liebeskranke Mann um und entfernte sich langsam und widerstrebend
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