Flammender Diamant
Diamanten.«
Erin gefiel das alles gar nicht, aber sie war intelligent genug, um einzusehen, daß beide nicht unrecht hatten.
»In dieser Szene bleibt nur noch die Frage offen, was es mit Abes >Schatzkästchen< auf sich hatte«, fuhr Windsor fort. »War das nur ein Deckname für gestohlene Ware aus Namibia? Wenn ja, könnte es doch gefährlich für Erin werden, weil auch andere Schmuggler davon wissen werden.«
»Ihr Vater hat recht«, sagte Faulkner zu Erin. »Sie könnten die Situation im Griff behalten, wenn es nur um Schmuggel geht. Wenn Sie zum Beispiel mit einer gutausgebildeten Truppe von Bodyguards ganz offiziell die Station durchsuchen. Sie würden nichts finden und wieder abfahren, um noch Fotos vom Outback zu machen. Danach würden Sie verschwinden, und niemand würde Sie je wieder behelligen.« Faulkner ließ aus ihren vollen Lippen eine dichte Rauchwolke aufsteigen. »Jetzt zur nächsten Szene. Nehmen wir an, Abe war schlau wie ein Fuchs. Nehmen wir an, er hatte wirklich irgendwo auf seiner Station Gottes persönliche Diamantenmine. Eine Mine, die eine Produktion von Hunderten von Pfund von solchen Diamanten produzieren könnte.« Sie deutete auf den Tisch.
Faulkner sah zu, wie Erin erst ungläubig, dann nachdenklich schaute und schließlich mit einem Ausdruck von Unbehagen zu begreifen schien.
»So ist es«, sagte Faulkner und nickte. »Es geht dabei um so viel Geld, daß es schon zum Machtfaktor wird. Harte, politische Macht. Jene Art von Macht, für die Menschen töten, seien sie Unternehmen oder Nationen.«
»Das will ich nicht«, sagte Erin.
»Man bekommt nicht unbedingt immer, was man will«, fuhr Faulkner gnadenlos fort. »Vierte Szene. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele neue Minen mit Diamanten von Edel-
Steinqualität in den letzten fünfzig Jahren in Betrieb genommen worden sind?«
»Nein.«
»Aber ich«, sagte Faulkner. »Ich habe darüber einen Bericht geschrieben, der jetzt in Virginia in einem Staatstresor verschlossen liegt. Neue Minen hat es in der Sowjetunion, in Australien und in ein paar afrikanischen Ländern gegeben. Alle hat das Kartell im Griff. Die Sowjetunion mußte sich ein paar neue ideologische Begriffe ausdenken, hat aber sofort mit ConMin gemeinsame Sache gemacht, weil die Firma über den weltweiten Verkauf ihrer Steine bestimmte. Genauso war's mit Australien. Trotzdem war es nur eine Handvoll neuer Minen, die entdeckt wurden, vielleicht eine pro Jahrzehnt.«
»Kein Wunder. Schließlich sind Diamanten selten.«
»Das erklärt ConMin bei jeder passenden Gelegenheit«, gab Faulkner zurück. »Das Diamantenkartell hat Hunderte von Geologen, die auf der ganzen Welt unterwegs sind. Sie sind die Elite der Experten. Sie haben nie - ich wiederhole: niemals -eine Diamantenmine gefunden. Nicht ein einziges Mal. Die einzig neuen Minen der letzten fünfzig Jahre wurden von Prospektoren gefunden, die nicht für ConMin arbeiteten, und das in Gegenden, die von ConMin-Geologen schon gründlich erforscht worden waren. Was halten Sie davon?«
»Entweder sind die Geologen von ConMin sehr schlecht, ConMin hat wirklich Pech, oder ConMin will keine neuen Minen finden«, meinte Erin.
»Schnell, kurz und direkt ins Ziel. Schade, daß Ihnen der Beruf Ihres Vaters nicht gefällt. Ich könnte Sie gut gebrauchen — aber nur, wenn Sie Ihr verfluchtes Hirn einsetzen. Das Diamantenkartell hat bei jeder neuen Mine die Hände im Spiel, überall auf der Welt, wo es bemerkenswerte Mengen von Rohdiamanten zu verarbeiten gibt. Dieses Monopol hat sowohl politische als auch ökonomische Bedeutung.«
»Der Angelpunkt aus Diamanten also?« fragte Erin, die das alles ungern glaubte, sich der Logik aber immer weniger entziehen konnte.
»So ist es. Das empfindliche Gleichgewicht der Mächte, wo schon ein kleines Schaukeln das Boot zum Kentern bringt. Die USA hätten im Moment nichts lieber als eine Mine unter Kontrolle, die uns beim Kartell einen besseren Stand verschafft. Und einer Menge anderer Nationen geht es genauso.«
»Verstehst du jetzt?« fragte Windsor ruhig. »Wenn Crazy Abe eine Diamantenmine hatte, wird aus ihrem Besitzer automatisch eine lebende Zielscheibe. Ich glaube nicht, daß du geschickt genug bist, schnell genug in Deckung zu gehen oder lange genug unten zu bleiben. Ich schon. Laß mich dein Erbe in die Hand nehmen, Kleines.«
Schweigend ging Erin ans Fenster. Ohne sich direkt an Coles Warnung zu erinnern, stellte sie sich an den Fensterrahmen, so daß sie hinaussehen
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