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Flammender Himmel

Titel: Flammender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Maxwell
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Bruder.«
    Sie sah die Überraschung, die für den Bruchteil einer Sekunde über seine Züge glitt. Sie wußte, was nun kommen würde. Sie kehrte Hawk den Rücken zu, versuchte sich zu wappnen, beschwor in Gedanken die Rose herauf, ihre Morgenrose, leuchtend rot, rein, unendlich friedvoll und gelassen, unendlich schön, der schlimmsten Winterkälte trotzend.
    Hawks Blick ließ Angels Gesicht keine Sekunde lang los. Es verriet nichts. Welche schlimmen Erinnerungen auch immer ihre Züge sekundenlang überschattet hatten, sie waren wieder verschwunden, verschlossen vor neugierigen Blicken. Vor ihm.
    »Derry hat nie einen Bruder erwähnt«, sagte er. »Dann sollte eine Fahrt ja kein Problem sein.«
    »Grant Ramsey ist tot.«
    Hawk schwieg sekundenlang, forschte in Angels Zügen, forschte nach den Emotionen, die, wie er fühlte, hinter ihrer ruhigen Fassade verborgen lagen.
    »Wann ist das passiert?« fragte er.
    »Vor langer Zeit«, erwiderte sie müde.
    »Er muß um einiges älter als Derry gewesen sein.«
    »Ja.«
    Angel wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der See zu. Direkt an der Mündung zur Deepwater Bay kreiste ein riesiger Vogelschwarm kreischend über dem Wasser. Es mußten Hunderte sein, und es klang wie ein ganzer Chor verlorener Seelen. Möwen schossen weißen Pfeilen gleich auf die glänzende Wasseroberfläche nieder, Kormorane tauchten die langen Hälse hinein und kamen mit den Schnäbeln voller Heringe wieder zum Vorschein. Schwerfällig hoben sich die erfolgreichen Jäger aus dem Wasser, während sie wild mit den Flügeln schlugen und ihren Artgenossen auswichen, die ihnen ihre Beute streitig machen wollten.
    Minutenlang kochte das Wasser förmlich. Tausende und aber Tausende von Heringen, winzige Fische, die, silberne Wassertropfen versprühend, hochsprangen und in der untergehenden Sonne nur so glänzten und funkelten.
    Angel drosselte automatisch den Motor.
    »Lachse«, sagte sie.
    »Ziemlich winzig«, meinte Hawk trocken.
    »Nicht die da«, erwiderte sie mit einer wegwerfenden Geste in Richtung der wild hüpfenden Heringsmasse. »Unter ihnen; sie treiben sie an die Oberfläche. Die Lachse jagen die Heringe tief unten, wo es fast vollkommen finster ist. Die Heringe schwimmen daraufhin wie panisch zur Wasseroberfläche, um dem Lachsschwarm zu entkommen. Doch da sind dann schon die Vögel und jagen sie von oben, während sich die Lachse weiter von unten bedienen.«
    »Da bin ich doch froh, daß ich nicht als Hering auf die Welt gekommen bin.«
    »Fressen und gefressen werden«, sagte Angel und ließ den Blick traurig über die aufgewühlte, schäumende See gleiten. »Früher oder später erwischt es uns alle. Manche von uns früher als die anderen.«
    »Keine sehr tröstliche Lebensphilosophie«, sagte er und musterte Angel mit Augen, die so hart und klar waren wie Topase.
    »Mitleid bringt einen eben manchmal nicht weiter.«
    Angel mußte an all die Menschen denken, die versucht hatten, sie nach dem Unfall zu trösten. Sie hatten sie nur noch wütender gemacht. Selbst Derry.
    Erst Carlsons absichtliche Grausamkeit hatte sie aus ihrem Selbstmitleid gerissen. Ausgerechnet Carlson, der sie ebenso liebte, wie Grant es getan hatte. Aber das hatte sie erst erfahren, als es schon zu spät gewesen war. Und jetzt würde es immer zu spät sein. Sie würden niemals ein Paar werden. Aber Freunde, das waren sie, Freunde, die einander tief und treu verbunden waren.
    »Wohin sind die Heringe auf einmal verschwunden?« fragte Hawk.
    »Dorthin, wo sie hergekommen sind.«
    Angel starrte aufs Wasser, wo die Heringe ebenso plötzlich verschwanden, wie sie aufgetaucht waren. Alles, was von dem riesigen Schwarm übrigblieb, war ein unbestimmter metallischer Schimmer tief unten im grünen Wasser, ein Schimmer, der von Sekunde zu Sekunde schwächer wurde.
    Da entschied Angel, daß es höchste Zeit war, endlich mit dem Fischen anzufangen. Allerhöchste Zeit. Sie hatten immer noch ein paar Stunden Tageslicht, die Flut kam bald, und zumindest ein paar Lachsschwärme waren in Reichweite. Kein Angler konnte sich mehr wünschen.
    Hawk konnte Angels Entschluß von ihrem Gesicht ablesen.
    »Kann ich helfen?« fragte er.
    »Ich sage Ihnen schon Bescheid, wenn ich Ihre Hilfe brauche.«
    Sie hatte die Schleppangeln im Nu vorbereitet. Es war nicht gerade ihre liebste Fangmethode, aber immer noch besser als gar nichts. Außerdem würden die Lachse nicht vor Mitte September an die Wasseroberfläche kommen.
    Bis dahin war Hawk schon wieder

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