Flammendes Begehren
das Pferd antrieb und die beiden Parteien teilte. Der Helm saß ihm tief im Gesicht. Durch den Nasenschutz war lediglich erkennbar, dass er ein breites Kinn und funkelnd blaue Augen hatte. Nichtsdestoweniger wusste Geoffrey, wen er im Blick hatte.
Der Mann, der seinen Vater umgebracht hatte.
Endlich war sie gekommen, die Stunde der Rache!
Geoffreys Finger begannen zu jucken. Ein stummer Schrei hallte durch seine Seele und mit ihm der Wunsch, blindlings loszustürmen und auf den Feind aller Feinde einzuschlagen. Doch stattdessen atmete Geoffrey tief durch. Jetzt galt es, nicht ungestüm zu werden, Brackendale keinen Grund zu geben, auf ihn loszustürmen, ehe der Kampf, auf den er so lange gewartet hatte, richtig begonnen hatte. Sein Arm zitterte vor Erregung, doch Geoffrey schob das Schwert ins Futteral.
»Geoffrey de Lanceau!«, brüllte Brackendale.
Die Hände auf den Hüften, löste Geoffrey sich aus dem Schatten der Steinstiege und blieb vor dem Ross des Lords stehen. Er stand still, als der in die Jahre gekommene Brackendale ihn vom Scheitel bis zur Sohle musterte.
»Ihr Bastard!«, rief Brackendale.
Geoffrey zuckte nicht einmal mit der Wimper.
»Wo ist meine Tochter?«
»In Sicherheit.«
Der Lord verzog den Mund.
»Wo?«
Geoffrey lächelte, blieb ihm aber eine Antwort schuldig.
Wild knurrend griff Brackendale nach seinem Schwert. Mit atemberaubender Geschwindigkeit fuhr die Klinge aus dem Futteral und richtete sich gegen Geoffreys Brust. Eine Woge der Panik schwappte über Geoffrey hinweg, doch er zwang sich, sein Schwert nicht zu zücken, selbst wenn sich seine Hand dicht am Knauf befand.
Brackendales Augen blitzten warnend auf. »Ihr seid umzingelt, de Lanceau! Ich vereine die größere Streitmacht unter mir und schrecke nicht davor zurück, diese Festung dem Erdboden gleichzumachen, sie Stein für Stein auseinanderzunehmen und jedem einzelnen Bewohner die Kehle zu durchtrennen. Sagt mir, wo ich Elizabeth finde – jetzt! Oder ich instruiere meine Männer, alles niederzutrampeln!«
»Ich dachte, wir hätten uns auf ein Duell geeinigt«, entgegnete Geoffrey und hob eine Augenbraue. »Ihr habt wohl Angst vor mir gehabt, alter Mann, oder?«
»Wie könnt Ihr es wagen!«
»Vielleicht quälte Euch die Furcht, ich könnte Euch mit wenig Anstrengung umpusten?« Geoffrey verschränkte die Arme vor der Brust und tat, als wäre er die Ruhe in Person. »Es wäre eine Schande, durch das Schwert von Edouard de Lanceaus Sohn zu sterben, nicht wahr? Ausgerechnet dem Sohn eines Verräters.«
Der alte Lord verzog den Mund und schob die Schwertspitze in die Maschen von Geoffreys Kettenhemd. Trotz des wattierten Wamses spürte Geoffrey den Druck, aber er wich weder zurück noch ließ er sein Gegenüber wissen, dass es ihn leicht schmerzte. Er würde keine Schwäche zeigen – nicht wenn vor ihm ein Kampf lag, aus dem er als Sieger hervorzugehen gedachte.
»Euer Hohn ist alles andere als amüsant!«, fuhr Brackendale ihn an.
»Aber ich habe recht. Ihr greift mich aus dem Hinterhalt an – nicht gerade ein fairer Zug. Wo bleibt Euer Ehrgefühl, Lord Brackendale?«
»Ihr wagt es, von Ehre zu sprechen?«, blaffte der ältere Lord ihn an. »Darf ich Euch an das gefälschte Schreiben erinnern, das Ihr mir habt zukommen lassen?«
»Das war unumgänglich und hat, wie wir beide wissen, auch funktioniert.«
»Ihr habt mich zum Narren gemacht.«
»Ich will Wode Castle zurück«, erklärte Geoffrey. »Hätte ich Grund zu der Annahme gehabt, dass Ihr mir Wode Castle aus freien Stücken zurückgebt, wäre ich auf die List mit den Bränden nicht angewiesen gewesen.«
Brackendales Schwert bohrte sich ein wenig tiefer in die Maschen. »Gehörte es auch zu Eurem teuflischen Plan, meine Tochter zu deflorieren?«
Geoffrey fuhr zusammen.
In Brackendales Rücken stieß ein aufgedunsener Ritter einen Fluch aus. Er nahm den Helm ab und wischte sich den Schweiß von der Braue. Geoffrey machte ein finsteres Gesicht. Baron Sedgewick. Wie konnte Brackendale es wagen, Elizabeth mit diesem grausamen Widerling zu verheiraten? Bei dem Gedanken an den Baron oder an jeden anderen Mann, der Hand an sie anlegte, begann sein Kiefer, zu mahlen.
Als er die Frau entdeckte, die im Schatten von einem der beiden Wachtürme stand und sich gerade das kastanienbraune Haar unter die Kapuze des Umhangs schob, verfinsterte sich sein Gesicht abermals. Veronique. Er hatte geahnt, dass sie ihn hinterging, aber die Bestätigung seines Verdachts war wie
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