Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
schläft.
Der Türspion glimmt schwach.
Elisabeth bleibt stehen und hält die Luft an. In einem der Zimmer flüstert eine helle Stimme, verstummt jedoch abrupt, als Elisabeth weitergeht.
»Sei jetzt still«, sagt sie in den Raum hinein.
Ihr Herz pocht heftiger, als sie eine Reihe schneller, dumpfer Schläge vernimmt. Es ist schwer auszumachen, woher das Geräusch kommt, aber es klingt, als läge Miranda im Bett und würde mit nackten Füßen gegen die Wand treten. Elisabeth denkt darüber nach, zur Tür zu gehen und durch den Spion zu schauen, als sie sieht, dass in der dunklen Nische jemand steht. Es ist ein Mensch.
Sie atmet keuchend ein und geht mit einem träumerischen, wasserschweren Gefühl im Körper rückwärts.
Sie erkennt sofort, wie gefährlich die Situation ist, aber die Angst macht ihre Bewegungen langsam.
Erst als der Fußboden des Korridors knarrt, regt sich in ihr der Impuls, um ihr Leben zu laufen.
Die Gestalt in der Dunkelheit bewegt sich plötzlich sehr schnell.
Elisabeth dreht sich um, läuft los, hört Schritte hinter sich, rutscht auf dem Flickenteppich aus, stößt mit der Schulter gegen die Wand und rennt weiter.
Eine sanfte Stimme ermahnt sie, stehen zu bleiben, aber sie bleibt nicht stehen, sie läuft, stürzt durch den Gang.
Türen schlagen auf und werden wieder zurückgeworfen.
In panischer Angst eilt sie an dem Raum für Leibesvisitationen vorbei und stützt sich an den Wänden ab. Die gerahmte Kinderkonvention der Vereinten Nationen löst sich von ihrem Haken und fällt krachend auf den Fußboden. Sie erreicht die Haustür, tastet nach der Klinke, stößt die Tür auf und läuft in die kühle Nachtluft hinaus, rutscht auf der Eingangstreppe jedoch aus. Sie fällt auf die Hüfte und begräbt ein Bein unter sich. Der Schmerz im Fußgelenk ist so heftig, dass sie laut aufschreit. Sie rutscht die Treppe hinunter, hört schwere Schritte im Hauseingang, kriecht ein wenig weiter, verliert ihre Hausschuhe und kommt wimmernd auf die Beine.
4
DER HUND BELLT SIE AN ,umkreist sie, hechelt und knurrt. Elisabeth entfernt sich humpelnd vom Haus und läuft über den dunklen Kiesplatz. Wieder bellt der Hund, erregt und abgehackt. Elisabeth weiß, dass sie nicht durch den Wald laufen können wird, denn bis zum nächsten Gehöft ist es weit – eine halbe Stunde mit dem Auto. Sie kann nirgendwohin. Sie schaut sich in der Dunkelheit um und schleicht hinter das Trockenhaus. Sie erreicht die Waschküche, öffnet sie mit zitternden Händen, tritt ein und zieht behutsam die Tür hinter sich zu.
Keuchend sinkt sie zu Boden und sucht nach ihrem Handy.
»Oh Gott, oh mein Gott …«
Elisabeths Hände zittern so, dass sie das Handy fallen lässt. Das Cover auf der Rückseite löst sich, und der Akku fällt heraus. Sie hebt die Teile auf und hört im selben Moment knirschende Schritte auf dem Kiesplatz.
Sie hält die Luft an.
In ihrem Körper donnert der Puls. Es rauscht in den Ohren. Sie versucht, etwas durch das niedrige Fenster zu erkennen.
Gleich dahinter bellt der Hund. Buster ist ihr gefolgt. Er scharrt an der Tür und wimmert aufgeregt.
Sie kriecht weiter in die Ecke neben der gemauerten Feuerstelle hinein, versucht lautlos zu atmen, verbirgt sich hinter dem Brennholzkorb und legt den flachen Akku in das Handy ein.
Als sich die Tür zur Waschküche öffnet, schreit Elisabeth auf.In panischer Angst rutscht sie an der Wand entlang, kommt aber nicht weit.
Sie sieht die Stiefel, die Gestalt im Schatten und dann das furchtbare Gesicht und den Hammer in der Hand, den dunklen Glanz und sein Gewicht.
Sie lauscht der Stimme, nickt und hält sich die Hände vors Gesicht.
Der Schatten zögert, gleitet dann jedoch durch den Raum, drückt sie mit dem Fuß zu Boden und schlägt kraftvoll zu. Kurz über dem Haaransatz brennt ihre Stirn. Sie sieht nichts mehr. Es tut schrecklich weh, aber gleichzeitig spürt sie ganz deutlich, dass ihr warmes Blut wie ein Streicheln über die Ohren und um den Hals läuft.
Der nächste Schlag trifft dieselbe Stelle, und ihr Kopf wird zurückgeworfen, und sie nimmt nur noch wahr, dass Sauerstoff in die Lunge gesogen wird.
Verwirrt denkt sie, dass die Luft wunderbar süß ist, dann verliert sie das Bewusstsein.
Die restlichen Schläge und wie der Körper unter ihnen erzittert, spürt Elisabeth nicht mehr. Sie merkt nicht, dass ihr die Schlüssel zum Schwestern- und Isolierzimmer aus der Tasche genommen werden und ebenso wenig, dass sie auf dem Boden liegen bleibt
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