Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
»Es ist echt schön, Zyprexa los zu sein.«
»Hat das Mittel viele Nebenwirkungen?«
»Das ist bestimmt bei jedem anders, aber bei mir … ich habe garantiert zehn Kilo zugenommen.«
»Wird man müde davon?«, will Joona wissen und sieht die blutigen Laken vor sich, auf denen Vicky geschlafen hat.
»Am Anfang ist es umgekehrt … ich brauchte die Tablette nur in den Mund zu nehmen, schon ging der Mist los … es kribbelt am ganzen Körper, man ärgert sich über jede Kleinigkeit und brüllt herum … einmal habe ich mein Handy an die Wand geworfen und die Vorhänge heruntergerissen … aber nach einer Weile kippt die Stimmung und dann hat man das Gefühl, eine warme Decke würde sich auf einen legen … man wird ruhig und will einfach nur schlafen.«
»Weißt du, ob Vicky auch noch andere Medikamente genommen hat?«
»Sie hat es sicher wie die meisten von uns gemacht und alles gehamstert, was etwas bringt … Stesolid, Lyrica …«
Im Hintergrund ist eine Stimme zu hören, und Joona begreift, dass die Krankenschwester den Raum betreten und Caroline mit dem Handy am Ohr gesehen hat.
»Ich werde das als Diebstahl melden«, sagt die Frau.
»Es hat geklingelt, und ich bin rangegangen«, entgegnet Caroline. »Es ist ein Kommissar, der Sie sprechen will … Sie stehen unter dem Verdacht, Miranda Ericsdotter ermordet zu haben.«
»Sehr witzig«, faucht die Frau, nimmt das Handy und räuspert sich, ehe sie sich meldet: »Solveig Sundström.«
»Ich heiße Joona Linna, ich bin Kommissar bei der Landeskriminalpolizei und ermittle …«
Die Frau unterbricht wortlos die Verbindung, und Joona ruft nicht wieder an, denn er hat seine Antwort bereits bekommen.
77
UNTER DEM FLACHEN DACH einer Statoil-Tankstelle hält ein weißer Opel, und eine Frau in einem hellblauen Strickpullover steigt aus, wendet sich der Tanksäule mit Kartenzahlung zu und wühlt in ihrer Umhängetasche.
Ari Määtiläinen wendet den Blick von der Frau ab und legt zwei dicke Grillwürste auf das Bett aus Kartoffelpüree mit Texassauce und Röstzwiebeln. Er sieht den dicken, auf das Essen wartenden Motorradfahrer kurz an und erklärt ihm mechanisch, dass man sich Kaffee und Coca-Cola am Automaten holen kann.
Die Reißverschlüsse an der Lederjacke des Motorradfahrers schaben über die Glasscheibe der Verkaufstheke, als er sich vorlehnt und das Essen in Empfang nimmt.
»Danke«, sagt er auf Deutsch und geht zum Kaffeeautomaten.
Ari stellt das Radio ein wenig lauter und sieht, dass die Frau in dem hellblauen Pullover ein wenig zur Seite getreten ist, während das Benzin in den Tank ihres Opels läuft.
Als die Nachrichtensprecherin von den letzten Entwicklungen in dem spektakulären Entführungsfall berichtet, horcht Ari Määtiläinen auf:
»Die Suche nach Vicky Bennet und Dante Abrahamsson wurde abgebrochen. Die Polizei des Westlichen Norrlands hüllt sich in Schweigen, aber unterrichteten Kreisen zufolge hat sich die Befürchtung bestätigt, dass die gesuchten Personen bereits am Samstagmorgen ums Leben gekommen sind. Kritik wurde laut, weil die Polizei eine landesweite Fahndung ausgelöst hat. Die Redaktionhat vergeblich versucht, Carlos Eliasson, den Leiter der Landeskriminalpolizei, zu erreichen und …«
»Was zum Teufel«, flüstert Ari.
Er schaut auf das Post-it, das noch neben der Kasse klebt, greift nach dem Telefon und wählt ein weiteres Mal die Nummer der Polizei.
»Polizei, Sonja Rask«, meldet sich eine Frau.
»Hallo«, sagt Ari. »Ich habe sie gesehen … ich habe das Mädchen und den Jungen gesehen.«
»Mit wem spreche ich bitte?«
»Ari Määtiläinen … ich arbeite in der Statoil in Dingersjö … ich habe Radio gehört, und in den Nachrichten haben sie gesagt, sie wären am Samstagmorgen gestorben, aber das kann nicht sein, ich habe die beiden in der Nacht auf Sonntag hier gesehen.«
»Meinen Sie Vicky Bennet und Dante Abrahamsson?«, fragt Sonja Rask skeptisch.
»Ja, ich habe sie in der Nacht gesehen, es war schon Sonntag früh, also können sie ja wohl unmöglich am Samstag gestorben sein, wie die im Radio gesagt haben, nicht wahr?«
»Sie haben in der Nacht zum Sonntag Vicky Bennet und Dante Abrahamsson gesehen?«
»Ja.«
»Und warum haben Sie uns nicht schon früher angerufen?«
»Das habe ich, ich habe mit einem Polizisten gesprochen.«
Ari erinnert sich, dass er am Samstagabend Radio Gold gehört hat. Die landesweite Fahndung war noch nicht ausgelöst worden, aber die Lokalsender
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