Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
forderten die Bevölkerung bereits auf, nach dem Mädchen und dem kleinen Jungen Ausschau zu halten.
Um elf hielt auf dem Parkplatz hinter den Dieseltanksäulen ein Fernlastzug.
Der Fernfahrer schlief drei Stunden.
Es war mitten in der Nacht, um Viertel nach zwei gewesen, als er die beiden sah.
Ari schaute auf den Bildschirm, der ihm zeigte, was die Überwachungskameras registrierten. Auf einem Schwarzweißbild sah man den Lastwagen aus einem anderen Winkel. Als der Fahrer den Motor des großen Fahrzeugs anließ und losfuhr, sah die Tankstelle verlassen aus. Plötzlich entdeckte Ari jedoch eine Gestalt auf der Rückseite des Gebäudes, gleich neben der Ausfahrt der Waschstraße. Es war nicht nur ein Mensch, es waren zwei. Er starrte auf den Bildschirm. Der Lastwagen wendete und fuhr zur Ausfahrt. Das Licht seiner Scheinwerfer fiel auf die große Fensterfront, und Ari verließ seinen Platz hinter der Theke und lief um das Gebäude herum. Aber die beiden waren schon verschwunden. Das Mädchen und der Junge waren verschwunden.
78
JOONA PARKT VOR DER STATOIL-TANKSTELLE in Dingersjö dreihundertsechzig Kilometer nördlich von Stockholm. Es ist ein sonniger Tag, es geht eine frische Brise, und ausgefranste Reklamewimpel schlagen im Wind. Joona und Disa saßen beim gemeinsamen Mittagessen im Restaurant Villa Källhagen, als ihn eine nervöse Polizeimeisterin anrief, Sonja Rask aus Sundsvall.
Joona betritt das Geschäft. Ein hohläugiger Mann mit einer Statoil-Mütze auf dem Kopf ordnet Taschenbücher in ein Blechregal ein. Joona betrachtet die Speisekarte der beleuchteten Tafel und anschließend die glänzenden Würstchen, die auf dem mechanischen Grill rollen.
»Was darf’s sein?«, fragt der Mann.
»Makkarakeitto«, antwortet Joona.
»Suomalainen makkarakeitto«, sagt Ari Määtiläinen lächelnd. »Als ich ein Kind war, hat meine Großmutter oft Wurstsuppe gekocht.«
»Mit Roggenbrot?«
»Ja, aber hier verkaufe ich leider nur schwedisches Essen«, erklärt Määtiläinen und zeigt auf die Hamburger.
»Ich bin ohnehin nicht zum Essen gekommen – ich bin von der Polizei.«
»Das habe ich schon begriffen … ich habe mit Ihrem Kollegen schon in der Nacht gesprochen, in der ich die beiden gesehen habe«, sagt Ari und macht eine Geste zum Bildschirm hin.
»Was hatten Sie gesehen, als Sie anriefen?«, fragt Joona.
»Ein Mädchen und einen kleinen Jungen auf der Rückseite der Tankstelle.«
»Sie haben die beiden auf dem Bildschirm gesehen?«
»Ja.«
»Deutlich?«
»Nein, aber … ich bin es ja gewohnt, ein Auge darauf zu haben, was sich da draußen tut.«
»Ist die Polizei in der Nacht vorbeigekommen?«
»Er kam am nächsten Morgen, hieß Gunnarsson, fand, dass man nichts erkennen könne und meinte, ich dürfte das Band löschen.«
»Aber das haben Sie nicht getan«, sagt Joona.
»Was glauben Sie?«
»Ich glaube, dass Sie die Aufnahmen auf einer externen Festplatte speichern.«
Lächelnd bittet Ari Määtiläinen Joona in das winzige Büro neben dem Warenlager. Eine Bettcouch ist ausgezogen, auf dem Fußboden liegen ein paar Dosen Red Bull, und auf der Bank vor einem Fenster mit Milchglasscheibe steht ein Tetrapak Sauermilch. Auf einem Schulpult mit Deckel steht ein kleines Notebook, an das eine externe Festplatte angeschlossen ist. Ari Määtiläinen setzt sich auf einen knarrenden Bürostuhl und blättert rasch in den einzelnen, nach Datum und Zeit sortierten Dateien.
»Ich hatte im Radio gehört, dass alle nach einem Mädchen und einem kleinen Jungen suchten, und dann habe ich mitten in der Nacht das hier gesehen«, erläutert er und klickt eine Filmdatei an.
Joona lehnt sich zu dem fleckigen Bildschirm vor. In vier kleinen Fenstern sieht man den Außen- und Innenbereich der Tankstelle. Die Uhrzeit wird im digitalen Format eingeblendet. Auf den grauen Bildern rührt sich absolut nichts. Man sieht Ari hinter dem Tresen. Ab und zu blättert er in einer Tageszeitung und isst gedankenverloren einige Zwiebelringe.
»Dieser Lastzug hat drei Stunden hier gestanden«, erzählt Ari und zeigt auf einen der Filme. »Aber jetzt fährt er gleich …«
In der Fahrerkabine bewegt sich ein dunkler Schatten.
»Können Sie das Bild vergrößern?«, erkundigt sich Joona.
»Warten Sie kurz …«
Plötzlich leuchtet in einem weißen Lichtkegel ein Wäldchen auf, als der Lastwagen angelassen wird und die Batterie von Scheinwerfern angeht.
Ari klickt die zweite Außenkamera an, so dass sie den ganzen
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