Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
beschädigten Autos. Der Kran hebt es senkrecht hoch, es durchbricht die Wasseroberfläche und beginnt zu schaukeln. Schäumend schießt das Wasser heraus, während eine ernste Stimme mitteilt, dass der Wagen, den Vicky Bennet gestohlen hat, am heutigen Tag im Indalsälven gefunden wurde, und die Polizei befürchtet, dass sowohl die mordverdächtige Vicky Bennet als auch der vierjährige Dante Abrahamsson umgekommen sind.
»Die Polizei möchte sich zu den Funden nicht näher äußern, aber Aktuell hat aus verlässlichen Quellen erfahren, dass die Taucher ihre Suche vor Ort abgebrochen haben und die landesweite Fahndung aufgehoben wurde. …«
Als ein Bild von Vicky eingeblendet wird, hört Elin nicht mehr, was der Nachrichtensprecher sagt. Sie ist älter und schmaler geworden, hat sich ansonsten jedoch kaum verändert. Elin hat das Gefühl, ihr Herz würde stehen bleiben. Sie erinnert sich, was für ein Gefühl es war, wenn sie das schlafende Mädchen getragen hat.
»Nein«, flüstert Elin. »Nein …«
Sie starrt das schmale und blasse Gesicht des Mädchens an. Die herabhängenden Haare, ungepflegt und verfilzt, immer schwer in Fasson zu bringen.
Sie ist noch immer ein Kind, und nun sagen sie, dass Vicky tot ist. Ihr Blick ist trotzig, sie wird gezwungen, in die Kamera zu schauen.
Elin entfernt sich vom Fernseher, taumelt, stützt sich an der Wand ab und merkt nicht, dass sich ein wertvolles Ölgemälde von Erland Cullberg vom Haken löst und zu Boden fällt.
»Nein, nein, nein«, wimmert sie. »Nicht so, nicht so … nein, nein …«
Das Letzte, was sie von Vicky hörte, war ihr Schluchzen im Treppenhaus, und nun ist sie tot.
»Ich will nicht«, schreit sie.
Mit pochendem Herzen geht sie zu dem beleuchteten Vitrinenschrank mit dem großen Seder-Teller, den sie von ihrem Vater bekommen hat, es ist ein Familienerbstück. Sie packt die Oberkante des Schranks und reißt ihn mit aller Kraft um. Er kracht mit einem lauten Knall auf den Boden. Die Glaswände gehen zu Bruch, Splitter wirbeln über den Parkettboden, und der reich dekorierte Teller zerbricht.
Sie krümmt sich, als hätte sie unerträgliche Bauchschmerzen, und kauert sich auf dem Fußboden zusammen. Sie atmet keuchend und denkt immer wieder, dass sie eine Tochter hatte.
Ich hatte eine Tochter, ich hatte eine Tochter, ich hatte eine Tochter.
Sie setzt sich auf, nimmt eine große Scherbe des Seder-Tellers ihres Vaters und zieht die scharfe Kante hart über ihr Handgelenk. Warmes Blut tropft in ihren Schoß. Erneut zieht sie die scharfe Bruchkante der Scherbe über ihr Handgelenk, stöhnt vor Schmerz und hört ein rasselndes Geräusch an der Wohnungstür. Jemand öffnet die Tür und kommt herein.
75
JOONA BRÄT IN EINER GUSSEISERNEN PFANNE bei großer Hitze zwei Scheiben Rinderfilet an. Er hat die Fleischstücke umbunden und würzt sie mit grobgemahlenem schwarzem und grünem Pfeffer. Als die Tournedos gebräunt sind, salzt er sie und legt sie anschließend auf die Bratkartoffeln im Ofen. Während das Fleisch gart, kocht er eine Sauce aus Portwein, Korinthen, Kalbsfond und Trüffeln ein.
Mit ruhigen, abwesenden Bewegungen schenkt er anschließend einen Rotwein aus dem Saint Émilion in zwei Gläser ein.
Ein erdiger Duft von Merlot und Cabernet Sauvignon hat sich in der Küche verbreitet, als es an der Tür klingelt.
Disa steht in einem rot- und weißgepunkteten Regenmantel davor. Ihre Augen sind groß, und ihr Gesicht ist regennass.
»Joona, ich möchte testen, ob du wirklich so ein guter Polizist bist, wie alle immer sagen.«
»Und wie testet man das?«, fragt er.
»Mit einem Feldversuch«, antwortet sie. »Findest du, dass ich wie immer aussehe?«
»Hübscher«, erwidert er.
»Nein«, sagt sie lächelnd.
»Du warst beim Friseur und trägst zum ersten Mal seit einem Jahr die Haarspange aus Paris.«
»Noch etwas?«
Er lässt den Blick über ihr schmales Gesicht, die glänzenden Haare im Pagenschnitt und ihren schlanken Körper schweifen.
»Die da sind neu«, sagt er und zeigt auf ihre hochhackigen Stiefel.
»Marc Jacobs … Ein bisschen zu teuer für mich.«
»Schick.«
»Sonst siehst du nichts?«
»Ich bin noch nicht fertig«, sagt er, nimmt ihre Hände in die seinen, dreht sie um und mustert die Fingernägel.
Sie kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er murmelt, dass sie denselben Lippenstift aufgetragen hat wie damals, als sie im Södra-Theater waren. Behutsam berührt er ihre Ohrringe und begegnet anschließend
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