Flammenopfer
Gruppe ist etwas größer. Es scheint eine lockere Verbindung zu sein. Jedenfalls sind die Verdachtsmomente gegen die Frau frappant.«
» Und zwar?«
Sie ging zur Tür und rief Dodorovic herein. Der schien vorbereitet und aufgeregt, wischte überflüssigerweise über den Sitz des Sessels, bevor er sich setzte, und sah seine Chefin fragend an.
» Bitte geben Sie uns die Fakten über die Dame.«
Dodorovic hüstelte, bevor er begann: » Also. Julia Grau. Geboren am 26. Januar 1983 in Berlin-Prenzlauer Berg. Der Vater arbeitete in einem VEB für Molkereiprodukte, die Mutter war im selben Betrieb Gewerkschaftssekretärin. Julia Grau ist 1999 mit mittlerer Reife von der Schule gegangen, hat aber keine Lehre abgeschlossen und keine feste Arbeit. Sozialhilfe hat sie bislang nicht bezogen, weil die Eltern das Nötigste zahlen. So kann sie sich eine kleine Wohnung in der Oderberger Straße leisten, im Hinterhof. Hier steht, die Wohnung sei in einem sauberen, ordentlichen Zustand, allerdings mit vielen sonderbaren Gegenständen vollgestopft.«
» Wie, sonderbar?«, fragte Sternenberg.
» Das haben die Kollegen nicht dazugeschrieben. Soll ich weitermachen? Also. Ach doch, hier steht, dass sie ein Che-Guevara-Plakat über dem Bett hängen hat. Aber ich glaube, das ist nicht verboten, oder?«
Er blickte zu Beate Rixdorf.
Die warf einen sehr kurzen Blick zu Sternenberg und sagte: » Lesen Sie einfach weiter, Herr Dodorovic.«
» Gut. Frau Grau ist nicht vorbestraft. Es gab zwei Ermittlungsverfahren gegen sie wegen Ladendiebstahls, die nach § 153 StPO eingestellt wurden. Die Festnahme erfolgte am letzten Dienstag, weil bei der Dame mehrere Stapel von Flugblättern gefunden wurden. Darin wird zu Brandstiftung aufgerufen. Sie gab an, die Flugblätter nicht selbst angefertigt zu haben, sondern sie für Freunde aufzubewahren, die keinen festen Wohnsitz haben. Diese Freunde konnte sie uns namentlich nennen. Alle bis auf einen sind minderjährig. Es handelt sich offenbar um die Gruppe derjenigen Personen, mit denen Herr Sternenberg … zu tun hatte. Auf die Frage, wie sie inhaltlich zu den Flugblättern stehe, verweigerte sie die Aussage.«
Jano Dodorovic richtete seine einfarbig königsblaue Krawatte und beugte sich vor. » Julia Grau hat sich vor zwei Jahren bei der Berliner Feuerwehr als Feuerwehrfrau beworben. Sie besitzt einen Rettungsschwimmschein und wäre körperlich geeignet, aber sie wurde abgelehnt, da sie keine abgeschlossene handwerkliche Lehre vorweisen kann. Das jedenfalls war die offizielle Begründung. Sie hat sich dann im Jahr darauf erneut beworben und im Bewerbungsschreiben darauf verwiesen, dass es erforderlich sei, endlich eine Frau einzustellen. Sie hat Referenzen vorgelegt, in denen ihre Fähigkeiten beim Zimmern von Holzmöbeln bestätigt werden. Angeblich hat sie in einer Möbelfabrik und bei einem Goldschmied gejobbt. In diesem Jahr hat sie sich erneut bei der Feuerwehr beworben, aber bisher keine Antwort erhalten.«
» Erwähnen Sie noch die neuesten Ergebnisse der Gauck-Behörde, Herr Dodorovic.«
» Ja. Also, wir, das heißt Frau Rixdorf hat erfahren, dass Julia Grau schon früher eine große Begeisterung für die Feuerwehr hatte. Sie hat mit vierzehn Jahren an die Landesbranddirektion geschrieben und wollte Berufsfeuerwehrfrau werden.«
Sternenberg intervenierte. » Das wissen Sie von der Gauck-Behörde?«
Dodorovics Blicke rasten von Rixdorf zu Sternenberg. » Nein, ähm, das nicht. Also, die Kollegen haben in Erfahrung gebracht, dass Julia Grau als Kind, noch in der DDR, Briefe mit Bildern von Feuer und von der Feuerwehr verschickt hat. Diese Briefe sind in alle Richtungen gegangen, bis die Eltern Ärger mit der Partei bekamen. Es hat wohl einige Kader gestört, dass ein Kind an die Offiziellen schreibt, weil es Brände löschen will. Deshalb wurde später verhindert, dass sie bei der freiwilligen Feuerwehr mitmachen durfte, oder wie das im Osten hieß. Sie war bei den Jungen Pionieren, aber selbst da wurde darauf geachtet, ihr keine feuerwehrähnlichen Tätigkeiten zu übertragen. Zum Beispiel wurde ihr die Teilnahme an einem zusätzlichen Erste-Hilfe-Kursus verwehrt.«
» Ich muss noch mal fragen, Dodo: So was habt ihr von der Gauck-Behörde?«
Beate Rixdorf klinkte sich ein. » Die Quellen sind nicht erheblich. Außerdem: Wir fragen nur. Wenn wir Antworten bekommen, ist das gut, wenn nicht, ist es schade. Kommen wir zum entscheidenden Punkt: Wir haben eine junge, beruflich erfolglose
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