Flammenopfer
Frau, die zeitlebens Feuerwehrfrau werden wollte, aber über Jahre nur Ablehnungen bekommen hat. Selbst wenn sie eine Lehre abschließt, wird die Feuerwehr sie nicht einstellen. Frauen kommen nicht in den Berufsdienst. Auch wenn die Ausschreibungen das suggerieren. Die Frustration kann sich in eine pyromane Aggression umkehren. Hinzu kommt, dass sie mit einer Gruppe zusammenarbeitet, die öffentlich zu Brandstiftung aufruft.«
» Das sind Kinder«, sagte Sternenberg.
» Kinder, die Brände legen und Menschen umbringen – möglicherweise.«
» Möglicherweise«, sagte Sternenberg. » Ich habe mit ihnen gesprochen. Die sind genervt und verwirrt. Pubertierende Kinder, mehr nicht.«
» Und eines der Kinder kann Sie so reizen, dass Sie, ein erfahrener Polizist, so heftig zuschlagen. Ich glaube nicht, Herr Sternenberg, dass die Provokation von Ihnen ausging. Es war eines der Kinder, das gewalttätig war, und zwar so gewalttätig, dass Sie die Beherrschung verloren haben. Was ich durchaus nachvollziehen kann.«
Er schüttelte den Kopf. » Das passt nicht.«
» Julia Grau ist wahrscheinlich der Kopf dieser Gruppe«, sagte sie. » Von ihr werden die Texte der Flugblätter stammen, dieses verschrobene Zeug. Und sie wird den Druck organisieren.«
» Vielleicht. Aber haben wir Beweise?«
» Wir haben die Frau in Untersuchungshaft.«
» Weil sie Flugblätter in ihrer Wohnung hat?«
» Weil sie möglicherweise einer kriminellen Vereinigung angehört und weil sie beim Auskundschaften von Tatorten erwischt wurde. Wir haben sie auf einem der Dächer in der Oderberger Straße gefasst, als sie dabei war, die Dachklappe eines Hauses mit einer Zange zu bearbeiten. Eines Hauses, in dem sie nicht wohnt.«
» Gut. Ich nehme an, Sie wollen, dass ich sie vernehme.«
Sie lächelte. » Herr Dodorovic, führen Sie doch bitte den Herrn Hauptkommissar hinaus. Er hat einen Termin bei Frau Grau.«
Auf dem Gang fragte Jano Dodorovic Kai Sternenberg, ob er schon die Zeitung gelesen habe.
» Wieso? Steht da drin, dass ein Polizist einen harmlosen Jugendlichen verprügelt hat?«
» Ach komm, lass den Unsinn. Nein, es gab einen Brandanschlag auf ein Kinderdings …«
Sternenberg blieb stehen, Dodorovic reagierte nicht so schnell und stoppte erst einige Schritte weiter auf dem quietschenden Linoleum.
» Was für ein Kinderdings?«
» Kinderzoo oder so was. Oder Streichelzoo.«
Sternenberg ging weiter. » Mann, du kannst aber auch dramatisieren! Ich denke, da sind Kinder umgekommen! Streichelzoo! Wie viele Kaninchen sind denn draufgegangen?«
Jetzt blieb Dodorovic stehen und sammelte mit übertriebener Mühe eine Seite aus seinem Ordner. » Fünf Kaninchen bzw. Hasen. Acht Hühner und wahrscheinlich eine Katze.«
» Du, ich hab jetzt einen Termin in Moabit. Das andere kannst du mir später erzählen. Vielleicht heute Abend, beim Kaninchenbraten.«
» Sehr witzig, Kai. Noch etwas, ein Anruf aus deiner Telefonseelsorge.«
» Aha. Und was wollte meine Telefonseelsorge?«
» Ein Herr Sigurd. Du sollst unbedingt anrufen. Es wäre sehr wichtig.«
» Herr Sigurd! Das ist Sigurd. Okay, ich rufe ihn an. Oder ich fahre kurz vorbei, das liegt ja auf dem Weg. Ist das geklärt, dass ich mit Julia Grau sprechen kann? Ich meine, alleine und so?«
» Ich nehme an.«
» Jano …!«
» Okay, okay, schon gut. Ich lege meinen Mantel vor dir aus, damit du freie Bahn hast.«
» Um es gleich zu sagen, Sigurd, ich kann auf keinen Fall zusätzliche Dienste einschieben. Beim besten Willen nicht. Ich habe zu tun. Außerdem muss ich meiner Chefin erklären, wie es dazu kommen konnte, dass ich einen Jungen im Dienst geschlagen habe. Und vor allem muss ich damit selbst noch klarkommen.«
Der andere saß hinter einem Holzschreibtisch und war die Ruhe selbst.
» Setz dich, Kai. Ich freue mich, dass du vorbeigekommen bist.« Der Mann mit der Glatze und der Brille auf der Stirn sah allerdings nicht erfreut aus.
» Ich habe einen dienstlichen Termin. Also bitte keine ausgedehnte Therapie.«
» Du hast Probleme in deiner Dienststelle.«
» Die üblichen. Nein, nicht die üblichen. Aber es kommt eben ab und zu vor, dass man Missverständnisse ausräumen muss. Mein gegenwärtiges Problem ist die Zeit. Also sag mir bitte, worum es geht.«
» Vielleicht verschieben wir das. Ich habe das Gefühl, dass sich diese dienstliche Angelegenheit belastend auf dich auswirkt. Du stehst unter Zeitdruck, das ist keine geeignete Rahmenbedingung für unser Gespräch.«
»
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