Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
Vom Netzwerk:
und die Tür nach draußen schon geöffnet hatte, wollte er noch etwas über die Schulter rufen. Aber er ließ es und warf die Tür so heftig zu, dass das Krachen im Hausflur hallte.
    Er lachte. Ein ungesundes Lachen.

13
    Zweimal würgte Sternenberg den Motor ab. Er zog den Zündschlüssel und warf ihn auf die Lüftungsschlitze über dem Armaturenbrett. Mit beiden Händen umklammerte er das Lenkrad, schloss die Augen und fluchte, so laut es ging.
    Als er die Augen öffnete, schaute eine Frau über die Motorhaube verdutzt zu ihm herein. Sie zog einen Einkaufswagen hinter sich her, von dem eine Packung Toilettenpapier herunterfiel. Sie bückte sich und blickte beim Wiederbeladen vorwurfsvoll zu Sternenberg. Der bleckte die Zähne und strahlte sie an.
    Er langte nach dem Schlüsselbund, startete den Motor wie nach einer gelungenen Fahrprüfung und fühlte sich besser.
    An der ersten Ampel packte ihn ein ganz neues Gefühl. Es hatte nichts mit seinem Streit bei der Telefonseelsorge zu tun, sondern fühlte sich nach Unsicherheit an.
    Er schaltete sorgfältig in den zweiten Gang und beschleunigte.
    Was kommt auf mich zu, fragte er sich. Was ist faul an dem Gespräch mit der Frau in Untersuchungshaft? Die Antwort kam aus dem Magen, ein dumpfes Drücken, das man auf alles Mögliche schieben könnte. Aber er nahm es ernst. So etwas zu registrieren und einzuordnen war ein Instrumentarium ausgerechnet der verwünschten Telefonseelsorge. Aber wodurch verursachte das bevorstehende Gespräch mit einer gewöhnlichen Verdächtigen ein solches Gefühl?
    Er ging den Dialog mit seiner Chefin Beate Rixdorf durch, dem Jano Dodorovic auf eigentümliche Weise assistiert hatte. Beatrix hat das mit dem Schlag gegen den Jungen zu schnell abgetan. Vertraut sie mir wirklich? Na ja, sie hat von einer Untersuchung gesprochen, also wird die Sprache früh genug wieder darauf zurückkommen.
    Er hupte einen Kleinlastwagen an, der vor der Kreuzung die Spur gewechselt und ihn geschnitten hatte. Plötzlich fiel ihm ein – er biss sich auf den Daumen –, dass die Chefin ihm nicht gesagt hatte, ob Traube schon mit der Verdächtigen gesprochen hatte. Damit war unklar, ob sein Gespräch mit dieser Julia Grau einen offiziellen Charakter haben durfte oder vor Tobias Traube und dessen Kollegen verschwiegen werden sollte. Er griff zum Handy, legte es aber wieder zurück.
    Das war nicht das Einzige. Es gab etwas, was ihn beunruhigte. Etwas, was ihn beunruhigen musste. Er kam nicht darauf, was es war. Er sah es nicht und verstand es nicht. Etwas, was vielleicht zu offenkundig war. Er griff zum Halfter und prüfte, ob die Waffe saß. Die muss ich sowieso abgeben, wenn ich zu Julia Grau reingehe. Sie ist ja wohl nicht bewaffnet.
    Der Mann, der ihm den Revolver samt Halfter abnahm, kaute wie ein Vogel auf etwas herum. Er trug die dunkelblaue Uniform des Wachdienstes und einen Phantasieadler auf dem Ärmel. Mit der Quittung hatte der Mann es schwerer. Seine Hände zitterten. Alkoholtremor. Er faltete die Quittung unnötigerweise einmal zusammen.
    » Bei Ihnen sind die Häftlinge in sicheren Händen, nicht wahr?«
    Der Uniformierte sah ihn mit geröteten Augen streng an und überlegte sich eine Antwort, während er das Halfter in einem Schuber verstaute. Er schloss den Schuber, wandte sich Sternenberg zu, sah ihn noch strenger an und zuckte die Achseln. » Wird wohl so sein.«
    » Das ist gut.«
    Der Mann gab Sternenberg den Dienstausweis zurück und legte ihm den Besucherausweis daneben.
    » Ich besuche eine junge Frau, die in Untersuchungshaft sitzt.« Sternenberg steckte den Dienstausweis in die Hosentasche und klemmte sich die Besucherkarte ans Revers. » Glauben Sie, sie ist gefährlich? Könnte sie ausbrechen?«
    Sein Gegenüber hatte alle vorgeschriebenen Handgriffe erledigt und konzentrierte sich jetzt aufs Kauen. » Für uns sind alle gleich. Wir tun unsere Pflicht. Für uns sind alle gleich.«
    » Ja«, sagte Sternenberg. » Für Sie sind alle gleich.«
    Der Mann legte die Handkante auf den Tisch und kehrte Staub von der Tischplatte. Imaginären Staub. Und während er die Handflächen aneinander abwischte, was wegen des Tremors so aussah, als ringe er mit sich selbst, nahm er allen Mut zusammen und sagte, den Blick abgewandt: » Was falsch dran?«
    » Nein. Sie tun Ihre Pflicht.«
    » Sie müssen da lang. Nach rechts.«
    » Ich weiß.«
    Die Frau kam ihm bekannt vor.
    Einen halben Atemzug, bevor er sich erinnerte, lachte sie, stand auf, ging auf ihn zu

Weitere Kostenlose Bücher