Flammenopfer
in dem warmen Fünfzigerjahrebau.
Die Wohnungstür war doppelt gesichert. Sternenberg stand in einem sehr geräumigen Flur, der als Allzweckraum diente. Wo andere Mieter wahrscheinlich ihre Garderobe angebracht hatten, stand bei Traube eine Trimmbank. Darüber ein Poster vom Königssee mit dem Watzmann und dem Hochkönig. Gegenüber stand eine Holztruhe, auf der Stapel von Papieren lagen.
Der erste Raum, der neben dem Eingang abging, war das Schlafzimmer. Ein Doppelbett aus Stahl mit zitronengelben Bezügen, einigermaßen ordentlich. An einer Querwand hingen Bergsteigermotive, auf der anderen Seite stand der obligate Spiegelschrank. Neben dem Bett lagen Sportmagazine, auf den Nachttischen ein Reiseprospekt von Trinidad & Tobago, eine Schachtel Johanniskrautdragees und eine Neuübersetzung von » Moby-Dick«. Sternenberg fragte sich, was davon Traube gehörte – und was Petra. Dass er sich in ihrem Privatleben bewegte, war ihm viel unangenehmer, als sich das von Traube anzusehen.
Neben dem Schlafzimmer lag das Bad. Der Toilettendeckel war aus Granitimitat. Auf einem Glasregal neben den Doppelwaschbecken waren Flaschen und Dosen aufgereiht wie ein Sortiment kostbarer Flakons. Sie enthielten alle Varianten von Putzmitteln. So, wie das Bad aussah, wurde von ihnen üppiger Gebrauch gemacht.
In der Küche waren die Regale mit Plastikdosen zugemauert. Sie alle trugen Etiketten, es sah nach System aus. Die Küche war neu renoviert, eine Mischung aus Ocker und Olivgrün. In der Spülmaschine stand nur das Frühstücksgeschirr zweier Menschen, offensichtlich noch nicht lange.
Sosehr das Schlafzimmer ein Schlafzimmer war, so war das Wohnzimmer ein Wohnzimmer und nichts anderes. Sternenberg fand alles, was er erwartete: den Großbildfernseher, die Stereoanlage und die Sitzgruppe aus beigefarbenem Leder, die ein nicht ganz symmetrisches U bildete. Über die gesamte Länge der Querwand zog sich ein etwa ein Meter hohes Regal aus schwarzem, staubkornfreiem Lack. Oben drauf waren zwei Schalen mit frischem Obst, eine Fernsehzeitung mit Fernbedienung für die Technik, zwei kleine chromfarbene Tischlampen mit blauen Glasschirmen und eine Maske aus Ebenholz, die afrikanisch oder ozeanisch sein mochte.
Kai Sternenberg neigte den Kopf und überflog die Titel der CD-Sammlung. Klassik, Blues, Pop, Nostalgie standen gemischt, aber alphabetisch sortiert. Unter den Büchern erkannte er Bestseller, eine lederne Reihe Lexika, Ratgeber, Duden, Kochbücher, Bücher über wahre Verbrechen, über Fälle des FBI, über Profiling und mehrere Spanisch-Sprachbücher. Daneben ein Cervantes-Hausbuch auf Spanisch. Aus alter Routine strich Sternenberg über den oberen Rand der Bücher, dicht am inneren Buchrücken und am Kapitalband entlang. Auf diese Weise fühlte er am schnellsten, ob etwas zwischen die Seiten gesteckt war. Ab und zu ein Lesezeichen, gefaltete Zeitungsartikel in den Kochbüchern. » Was erwarte ich?«, flüsterte er vor sich hin.
Ein Teil des Flures oder Mehrzweckraumes war durch eine chromfarbene Jalousie abgetrennt. Er steckte die Finger zwischen zwei Lamellen und spreizte sie, sodass das dünne Metall einen sanften Cluster-Ton von sich gab. Dahinter war es schwarz. Er versuchte, sich hinter die Jalousie zu zwängen, in den Alkoven, den er dort vermutete. Aber dazu war die Jalousie zu schwer. Immerhin lief sie über eine Breite von vier Metern und reichte von der Decke bis auf den Boden. Er drehte die Lamellen in waagerechte Position und zog sie an der Schnur hoch. Dennoch fiel kaum Licht in den geöffneten Teil des Raumes, denn der Flur hatte kein Fenster, und die Deckenleuchten strahlten lediglich in Richtung Hochkönig.
Er tastete nach einem Lichtschalter, fand aber keinen. Er griff ins Schwarze. Der Alkoven war erstaunlich tief. Er musste mehrere Schritte hineingehen, bis die Hand über eine Dose oder Büchse streifte. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Er konnte Regale erkennen. In seiner Jackentasche hatte er eine Streichholzschachtel. Im Licht der kleinen Flamme flackerten tatsächlich Dosen. Daneben stand eine Reihe Einweckgläser mit schwer definierbarem Inhalt. Ein Stück darunter sah er eine Stabtaschenlampe. Er legte das abgebrannte Streichholz umgekehrt in die Schachtel zurück und vergewisserte sich mit der Taschenlampe, dass der verkohlte Teil zu harmloser Asche zerfiel.
Er richtete den Lichtstrahl auf eines der Gläser und fand darin eine hellgrüne Masse. Sie erinnerte ihn an Waschpulver,
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