Flammenopfer
eigene Täterschaft zu vernebeln.«
Die anderen saßen schweigend in ihren Sesseln. Die Schwere des Gesagten lastete auf ihnen. Sternenberg ging im Zimmer umher und ließ seine Vermutungen sacken.
Wolfgang Lichtenberg war der Erste, der sich sammelte. » Deine erste Variante klingt nicht unwahrscheinlich. Bei der zweiten fehlt mir nach wie vor das Motiv.«
Es klopfte. Jano Dodorovic steckte den Kopf herein: » Das Essen wäre dann da.«
Tarek fuhr sich schnell mehrfach mit den Händen durch die Haare, als wolle er sich wecken. » Immer rein damit!«
Dodorovic stellte die Sushischachteln auf eine Ecke des Tisches und begann, den übrigen Tisch mit Servietten auszulegen. Lichtenberg saß unbeweglich und sah Isabel mit einem bittersüßen Blick an. Sie blickte von Lichtenberg zu Dodorovic und wieder zu Lichtenberg und musste sich zusammenreißen, um nicht loszuprusten. Dodorovic öffnete die Sushischachteln, verteilte die Stäbchen und holte Untertassen für die Sojasauce. Dann ging er noch einmal raus und kam mit zwei Pizzaschachteln und Mineralwasser zurück. » Ich dachte, falls jemand kein Sushi mag …«
Wolfgang Lichtenberg nahm die Stäbchen und griff nach einem Stück Sushi.
» Was ist mit Wein?«, fragte Tarek.
» Ich habe einen weißen und einen roten bestellt«, sagte Dodorovic. » Wegen Sushi und Pizza.«
» Oje«, sagte Tarek. » Dann können wir ja die ganze Nacht durchmachen! Der Chef gibt eine Flasche roten und eine Flasche weißen Wein aus.«
» Setz dich zu uns, Dodo«, sagte Sternenberg.
» Ähm, nee, ich würde gern gehen, wenn ihr nichts dagegen habt.«
» Natürlich nicht. Danke fürs Besorgen. Lass mir die Rechnung da.«
Als Dodorovic gegangen war, fragte Sternenberg: » Wer isst denn jetzt die Pizza?«
Tarek hatte sich eine gewaltige Sushirolle in den Mund gesteckt, die er mit den Stäbchen nicht hatte teilen können. Mit Mühe verstand man das Wort » Nachtisch«, aber alle fürchteten, ihm würde was aus dem Mund fallen.
» Das mit den Motiven ist eine schwierige Sache. – Wo hat Dodo denn den Wein hingestellt?« Sternenberg sah sich um und wollte draußen nachsehen. » Wer nimmt weißen?«
» Ich nehme Wasser«, sagte Lichtenberg.
» Ich auch«, flötete Isabel.
» Ich aber«, sagte Tarek.
Dodorovic hatte den Weißwein in den Kühlschrank gelegt. Die Rotweinflasche stand auf dem Kühlschrank neben einem Messer und einem Flaschenöffner. Es war ein billiger Rotwein. Sternenberg nahm den weißen und ein paar Wassergläser mit in den Besprechungsraum.
Während er die Flasche öffnete, sah er Isabel beim Essen zu. Sie betrachtete das Sushistück eine Weile von allen Seiten, bevor sie es in den Mund steckte. Sie schien selig im Genuss zu schwelgen und kaum etwas um sich herum wahrzunehmen.
Sie stießen an. Dann nahm Sternenberg mit den Fingern ein Reisröllchen, legte es in Soja und sagte: » Wenn wir der gewagten Hypothese folgen, dass Traube selbst Brandstifter ist, dann fallen mir nur zwei Beweggründe ein. Setzen wir voraus, er ist dem Täter auf der Spur und kann das Rätsel mit den Vermessungspunkten und eventuell unterschiedlichen Brandbeschleunigern nicht lösen. Er hat aber eine Vermutung. Jetzt versucht er, die gleiche Sprache zu sprechen wie der eigentliche Brandstifter …«
» Die selbe«, korrigierte Lichtenberg.
» Gut, dieselbe Sprache. Das heißt, er übernimmt Bruchstücke der Symbolsprache – Vermessungspunkte und Brandbeschleuniger und bestimmte Orte –, um dem Täter zu signalisieren, dass er ihn zu verstehen beginnt.«
» Ich habe einen Film gesehen«, sagte Isabel kauend. » Da hat man die Delfinsprache elektronisch nachgemacht und damit Delfine angelockt.«
» Flipper«, sagte Tarek.
Isabel versuchte, darauf nicht einzugehen. » Nein, die Forscher haben die Töne der Delfine aufgenommen und einzeln abgespielt. Damit gewannen sie die Aufmerksamkeit der Tiere. Und aus den verschiedenen Verhaltensformen schlossen sie, was die Laute bedeuteten. Meinst du so was? Dass Traube Brände legt, um die Sprache des Brandstifters zu entschlüsseln und dann mit ihm in Verbindung zu treten?«
Tarek sagte: » Dafür spricht, dass Traube die Sache geheim halten muss. Er kann das ja schlecht seinem Polizeipräsidenten verkaufen: Ich muss da mal ein paar Häuser abfackeln und Leute umbringen, weil ich mit dem Brandstifter Kontakt aufnehmen will … Da muss er schon ganz schön abgedreht sein.«
Sternenberg nickte. » Ja, es setzt Fanatismus voraus. Mehr als eine
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